Recruiting Videos: Das Runde muss ins Runde

Warum fällt es Unternehmen häufig so schwer, authentische Filme ins Rennen um die besten Bewerber zu schicken? Weil Authentizität oft falsch verstanden wird – tatsächlich aber viel einfacher ist, als gedacht.

Formenfinden ist für kleine Kinder eine echte Herausforderung. Warum passt das verdammte Dreieck einfach nicht in die runde Öffnung? Wem die Erfahrung fehlt, muss eben erst lernen, wie es geht – durch Ausprobieren und Fehlversuche. Ähnlich scheint es vielen Unternehmen mit authentischen Arbeitgebervideos zu ergehen.  Dabei sind Videos heute bereits ein fester Bestandteil im E-Recruiting. Und das ist grundsätzlich auch gut so, schließlich machen die bewegten Bilder Online-Anzeigen erfolgreicher.

Das belegen nicht nur Studien, wie beispielsweise von der FH Düsseldorf, sondern ist auch einfach selbst nachzuvollziehen: Jeder, der schon mal auf Jobsuche war, weiß: Bevor ich mich auf eine konkrete Stelle bewerbe, will ich wissen, was einen dort erwartet. Passt die Unternehmenskultur zur mir? Kann ich mich mit den Werten identifizieren? Wie gehen die Kollegen miteinander um, eher locker oder formell? Ein Film kann auf all diese Fragen in weniger als zwei Minuten eine Antwort liefern. Das Besondere daran: Ich bekomme ein Gefühl dafür. Und alle Rationalität in Ehren, letztlich entscheidet doch immer das Bauchgefühl über die Wahl des Arbeitgebers.

Klasse statt Masse

Fassen wir nochmal zusammen: Recruiting-Videos sind klasse, weil sie ein Gefühl für die beworbene Stelle vermitteln können. Schön. Aber Vorsicht bitte: Unternehmen sollten nicht mit den Gefühlen von potentiellen Mitarbeitern spielen. Wenn ein Video den Bewerbern nur etwas vorgaukelt, ist die Enttäuschung bereits abzusehen. Entweder kommt das böse Erwachen beim Vorstellungsgespräch, oder noch schlimmer erst in der Probezeit. Unternehmen sparen sich selbst und Bewerbern viel Zeit und Nerven, wenn sie von vorneherein authentisch auftreten. Der Mut zur Ehrlichkeit zahlt sich aus. Was nützt schon eine Flut an Bewerbungen, wenn die meisten dann doch nicht passen? Stattdessen kann mit Recruiting-Videos der Matching-Prozess nach vorne verlagert werden. Wer sich dann bewirbt, weiß was ihn erwartet und ist auch über das Vorstellungsgespräch hinaus noch motiviert.

Autsch-tentisch!

Wenn beim Kinderspiel der runde Stein nicht in die eckige Öffnung passen will, kann schon mal Frust entstehen. So ähnlich dürfte sich das für einige Unternehmen angefühlt haben, wenn ihre Arbeitgebervideos so gar nicht zum Geschmak der Zielgruppe passen wollten. Vor allem bei der Ansprache junger Zielgruppen stecken selbst namhafte Firmen noch in einer Try-and-Error-Phase. So ist das Netz voll von peinlichen Azubi-Songs. Beispiel Sparda Bank: Ungelenke Tanzbewegungen und Textzeilen wie „Du darfst auch mit Versicherungen und Bausparkassen tanzen“, provozieren geradezu Hohn und Spott. Was musikalisch und textlich in die Kategorie Fremdschämen fällt, wird schnell zu einem negativen viralen Hit. Davon können auch die Deutsche Bahn, McDonalds oder Edeka ein Lied singen – oder eben gerade nicht, was dann zu dem  äußerst reichweitenstarken Spott geführt hat.

Solche Videos kranken an einer falschen verstandenen Authentizität, wie Die Welt in einem sehr lesenswerten Artikel herausgearbeitet hat: Es genügt nicht, einfach nur die Auszubildenden zu Darstellern zu machen. Dadurch wirkt ein Film noch lange nicht authentisch. Vielmehr müssen Inhalt und  Aussage eines Recruiting-Videos glaubhaft zur Unternehmenskultur passen. Hauptsache einen Rap-Song, wenn es um junge Leute geht, funktioniert nicht. Das zeigt das Beispiel von BMW: Musikalisch durchaus gelungen, fällt das Video trotzdem bei den Nutzern durch. Der Grund? Das Lebensgefühl des Hip Hop hat einfach nichts zu tun mit der Unternehmenskultur von BMW. Deshalb Finger weg, von rappenden Azubis! Diese Lektion dürfte mittlerweile gelernt sein, wenn auch schmerzhaft.

Einfach gut

Wie denn dann, bitteschön? So, wie bei dem Schuster und seinen Leisten, bei denen er bleiben sollte. Unternehmen gewinnen am meisten, wenn sie sich nicht verbiegen. Und für einen authentischen Einblick braucht man nicht einmal ein großes Budget. Es kann beispielsweise schon genügen, die eigenen Mitarbeiter zu Wort kommen zu lassen. Auswendig gelernte oder abgelesene Aussagen sind dabei tabu.

Sind die O-Töne aber natürlich, zeigt man sein Unternehmen von der menschlichen Seite und vermittelt gleichzeitig ein Menge Informationen. Wie unterhaltsam das sein kann, zeigt die Krones AG mit ihren Mitarbeiter-Videos. Die Kunst bei solchen Interviews besteht in der Auswahl der Protagonisten. Es müssen Mitarbeiter sein, die sich vor der Kamera wohlfühlen und etwas zu erzählen haben. Erfahrene Filmredakteure sorgen dann dafür, dass während des Drehs eine angenehme Gesprächsatmosphäre entsteht. So gelingt es, authentische Aussagen einzufangen, die nicht nur sachlich sondern vor allem auch menschlich überzeugen.

Kinderspiel

Gerade wenn das Personalmarketing nicht mit üppigen Budgets ausgestattet ist, bieten sich solche einfachen Interviewformate an. Durch die geringen Kosten pro Folge kann sogar für jede ausgeschriebene Stelle ein passendes Recruiting-Video erstellt werden – vorausgesetzt es gibt genügend kamerataugliche Mitarbeiter. Ist das der Fall, sind authentische Recruiting-Videos kein Problem:  Ingenieur gesucht? Interview mit einem Ingenieur aus dem eigenen Haus. Auszubildende gesucht? Azubi-Interview.

Im Grunde wie bei dem Spiel mit den passenden Formen: Das Eckige gehört zum Eckigen, das Runde zum Runden. Soll das ein Plädoyer für Einfachheit sein? In gewisser Weise schon. Natürlich geht es auch aufwändiger und ausgefallener. Aber gerade wenn Firmen in Sachen Authentizität noch das rechte Gespür fehlt, ist es durchaus sinnvoll, sich ersteinmal mit den Grundlagen vertraut zu machen. Die so gewonnen Erfahrungswerte geben Sicherheit und können auf ambitionierte Videoprojekte übertragen werden. Was anfangs so schwer erschien, wird dann irgendwann zum Kinderspiel.