„Für Hybridmodelle braucht es klare Spielregeln“

Arbeiten unter Pandemiebedingungen ist herausfordernd und trotzt Unternehmen eine Menge Flexibilität und Ideenreichtum ab. Die hier gemachten Erfahrungen werden indes Einfluss auf die Arbeitsmodelle der Zukunft haben. Ein Gespräch über plötzliches Homeoffice und den Wert von Beziehungen.

Was machen du und dein Team heute anders als in Vor-Corona-Zeiten?

Christian Buggisch: Eine ganze Menge. Bis März dieses Jahres herrschte bei uns schon noch eine ausgeprägte Präsenzkultur. Das hat sich bei uns, wie auch bei vielen anderen, völlig ins Gegenteil verkehrt: Heute ist Homeoffice Normalzustand statt Ausnahme. Dabei ist es mitunter die größte Herausforderung, zwischen den digitalen Terminen noch Zeit zum Luftholen zu finden. Die Taktung war nämlich gerade in der Anfangszeit der Pandemie sehr hoch.

Alle arbeiten von heute auf morgen nur noch digital zusammen – wie hat das geklappt?

Gut. Wobei das auch an unseren Newsroom-Strukturen liegt. Die haben schon ohne Corona verhindert, dass jedes Teammitglied einsam vor sich hinarbeitet. Stattdessen sind Austausch und eine hohe Eigenverantwortlichkeit selbstverständlich. Und das lief auch remote einfach so weiter, inklusive der Meetings. Die haben wir einfach digitalisiert. Und seitdem funktionieren sie sogar noch besser als früher, weil wir uns nicht verzetteln und die Teilnahme für viele Mitarbeitende einfacher geworden ist: Statt das Büro zu wechseln müssen sie nur noch auf „teilnehmen“ klicken.

Mehr Homeoffice, funktionierende Newsroom-Strukturen – dann läuft also auch in Zukunft alles so weiter wie in den vergangenen Monaten?

Ich hoffe nicht. Denn was virtuell nicht so gut geht, ist zum Beispiel kreatives Arbeiten. Klar, da gibt es Tools, aber es geht eben noch besser, wenn man Stimmungen mitbekommt und Menschen sich wirklich begegnen. Und mir ist aufgefallen, dass wir uns weniger streiten. Das liegt natürlich nicht daran, dass es weniger Konflikte gibt als früher. Sondern viele von uns lassen sie lieber ungelöst, als sie vor dem Rechner sitzend auszufechten. Ebenso fällt jeder spontane Austausch weg, der in Vor-Corona-Zeiten an der Kaffeemaschine stattgefunden hat.

Habt ihr Lösungen gefunden, wie ihr den beiläufigen und spontanen Austausch mit Kolleg*innen ersetzen könnt?

Meine persönliche Lösung ist, dass ich halbstündige Termine zum Plaudern vereinbare. Ansonsten gab es in den Anfangszeiten der Pandemie virtuelle Kaffeepausen, zu denen sich die Mitarbeiter*innen dazuschalten konnten.

Wie erleben du und dein Team generell die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen?

Als unverändert gut. Wir profitieren von guten Beziehungen, und unsere Themenverantwortlichen sind unsere Bindeglieder ins Unternehmen. Sie sind gut vernetzt und stehen mit ihren Ansprechpartner*innen etwa im Bereich Finance oder Vertrieb im Austausch. Da hat auch die neue Arbeitssituation nichts dran verändert. Ich glaube aber auch, dass das deshalb so gut funktioniert, weil diese Beziehungen eben schon bestanden. Neue Beziehungen ohne persönliche Begegnung aufzubauen stelle ich mir deutlich schwieriger vor.

Auch wenn sich die Lage 2021 entspannen dürfte, gehen Expert*innen davon aus, dass Corona die Arbeitswelt nachhaltig verändert hat. Wie sieht dein liebstes Post-Corona-Szenario aus?

Von jedem etwas: also Homeoffice und Präsenz in einer guten Mischung. Vieles wird virtuell stattfinden können, manches eben nicht. Aber für solche Hybridmodelle braucht es dann auch klare Spielregeln. Etwa wenn ein Teil des Teams physisch zum Meeting zusammenkommt und der andere Teil im Homeoffice sitzt. Dann geht es nicht, dass die, die zusammen an einem Tisch sitzen, sich schnell untereinander verständigen, ohne dass es die digital zugeschalteten Kolleg*innen mitbekommen. Und Arbeitsteams können auch nicht nur rein virtuell existieren, sondern sie leben von der persönlichen Begegnung. Hier müssen wir Highlights setzen und dafür sorgen, dass alle mal zusammenkommen.

Wie widerstandsfähig und flexibel schätzt du die Strukturen von DATEV ein – seid ihr für weitere Krisen gerüstet?

Ich denke schon. Wir hatten in der aktuellen Lage den riesigen Vorteil, dass unsere Organisation ohnehin im Flow war. Wir haben uns schon vor Corona stark verändert und sind agiler geworden. Diese Bewegung ließ sich jetzt nutzen. Ich weiß nicht, was gewesen wäre, hätten wir uns nicht ohnehin schon in einem Veränderungsprozess befunden. Ich bin optimistisch, auch wenn die nächsten Wochen und Monate coronabedingt unsicher bleiben. Wir schaffen es, schnell wieder ins Homeoffice oder auch auf hybride Arbeitsformate zu wechseln und funktionierende Prozesse wie in unserem Newsroom vollständig zu digitalisieren.

Christian Buggisch, 48, leitet seit Ende 2019 die Unternehmenskommunikation beim Softwarehaus und IT-Dienstleister DATEV eG.

Foto Header: Clark Tibbs on Unsplash
Foto Christian Buggisch: privat
Foto Teaser: Ehimetalor Akhere Unuabona on Unsplash