Interne Kommunikation in Krisenzeiten – ein Zwischenruf

Dies ist kein Ratgeber, keine Sammlung von Tipps und Ideen, keine Übersicht über Tools und Prozesse, wie sich Kommunikation zu Mitarbeitern und zwischen Mitarbeitern im Corona bedingt veränderten beruflichen Alltag organisiert. Hier geht es darum, dass wertorientierte Unternehmensführung über interne Kommunikation Kraft in der Krise entfaltet. Nicht Kommunikation in der Krise, sondern beständige Kommunikation vor der Krise sorgt für verantwortungsvolles und fürsorgliches Handeln.

Es ist alles wie immer. Welche Aufgaben interne Kommunikation hat, was sie bewegen kann und was sie auszeichnet, ändert sich nicht, nur weil eine Krise heraufzieht. Ob Corona oder Naturkatastrophe, ob kriminelle Machenschaften oder Produktmängel, in bedrohlichen Situationen ist nicht nur Wahrhaftigkeit und rasche Reaktion in der Kommunikation nach außen – etwa zu Kunden, Stakeholdern und der Öffentlichkeit – gefragt. Nein, wie so oft befindet sich eine der  wichtigsten Zielgruppen im Unternehmen selbst. Mitarbeiterkommunikation entfaltet deshalb in derartigen Zeiten besondere Kraft.

Offen, ehrlich, glaubwürdig

Längst besteht Konsens, dass Krisenkommunikation das Gegenteil von Informationsnarkose ist. Schonungslose Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Schnelligkeit sind die Schlagworte, die bemüht werden. In der Unternehmenskrise darf nicht auch noch die Unternehmenskommunikation in die Krise laufen. Nicht alle deutschen Konzerne aus Automobilindustrie, Finanzwirtschaft, Energie und Pharma haben hier in den letzten Monaten geglänzt. Leider bringen Zwangslagen auch immer wieder Wichtigkeitsdarsteller an die Rampe, die gezeigten Reaktionen reichen vom Emotionstheater bis zur Entscheidungssimulation. Manchmal zumindest. Zur Klarstellung: Tatsächlich ist Krisenkommunikation in vielen Unternehmen hoch professionalisiert. Krisenszenarien werden regelmäßig simuliert, Bereitschaftspläne und Prozesse sind in den Kommunikationsabteilungen bis in Details definiert, Sprachregelungen vorbereitet und Zuständigkeiten in unterschiedliche Eskalationsstufen eingeteilt.

Dabei richten sich allerdings viele dieser Überlegungen und Aktivitäten nach außen. Der vermeintliche Feind sind investigative Medien und unbeherrschbare Reaktionen in den sozialen Netzwerken. Was tatsächlich einen Notstand für eine Organisation darstellt, kann für unterschiedliche Firmen oder Branchen eine komplett andere Situation sein. Manche dieser Krisen sind hausgemacht, beileibe nicht alle existentiell. Die eine oder andere Institution überschätzt auch die Bedeutung bedrohlicher Zustände in der eigenen Organisation für Außenstehende. Und umgekehrt. Inwieweit sich Unternehmen in Paralleluniversen bewegen, hängt natürlich nicht unwesentlich von deren gesellschaftlicher Bedeutung  und der Relevanz ihres Tuns ab.

Kommunizieren in der Krise

Doch derzeit geht es weniger um klassische Krisenkommunikation als um das Kommunizieren in der Krise. Wir erleben momentan eine krisenbedingte Veränderung unseres beruflichen und privaten Alltags. Die Coronakrise ist ja nicht ein Verschulden von Unternehmen. Es sind nicht  Fehler, Vergehen, schuldhaftes Handeln und Katastrophen, für die Unternehmenslenker Verantwortung übernehmen müssten. Jetzt geht im wahrsten Sinn des Wortes um eine existenzielle Krise. Lebensbedrohlich ist das Virus für Menschen, existenzbedrohend ist es für Unternehmen. Firmen, die jetzt auf die Solidarität und das Vertrauen ihrer Belegschaft bauen können, haben mehr Möglichkeiten zu reagieren. Und damit wird klar, dass es sich zum einen natürlich um Verhalten und Kommunikation im Ernstfall handelt. Es handelt sich aber auch um die grundsätzliche Mitarbeiterorientierung in den Betrieben. Und dafür fungiert die interne Kommunikation als Gradmesser und Regelinstrument.

Eine große Rolle spielen Tools und Prozesse. Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt bietet eine Vielzahl nützlicher Instrumente. Kollaborationstools, um Dokumente und Arbeitsergebnisse zu teilen, Mitarbeiter-Apps, die blitzschnell Information auch auf privaten Smartphones zur Verfügung stellen und in Chats schnelle Abstimmungen und den Austausch zwischen Kollegen erlauben oder Videokonferenzen, bei denen man die Teammitglieder wenigstens sieht, wenn man ihnen schon nicht mehr begegnet. Natürlich ist es wichtig, wie gut  Unternehmen Arbeit im Homeoffice für Schreibtischarbeiter derzeit organisieren, wiesie Schichtpläne und Notversorgung in Produktions- und Infrastrukturbetrieben mit Gesundheitsschutz vereinbaren und wie  Einsatzkräfte (Polizei, Feuerwehr, Krankenhauspersonal und Müllabfuhr) Überlastungen im Beruf ausgleichen und wie Hilfe im privaten Raum von der Kinderbetreuung bis zu Altenpflege unterstützt werden kann.

Es gibt zahlreiche digitale Werkzeuge, um Arbeit und Zusammenarbeit neu zu organisieren, Hand in Hand zu schaffen, damit anstehende Aufgaben erledigt werden. Diese verändern aber stark die Rahmenbedingungen. Vorbei ist letztlich die Zeit der Anweisungen. Kreativer Umgang, der Wille und die Bereitschaft zum gemeinsamen Lösen ständig neuer Aufgaben ist allerdings nicht nur möglich durch Apps und Chats, sondern braucht persönliche Haltung als Ausdruck einer Firmenkultur. Aus deren Verständnis heraus lässt sich sozialer Vereinzelung entgegenwirken, Wut und Aggression in als bedrohlich empfundenen Situationen beherrschen, daraus resultierende Probleme erkennen und anpacken.

Haltung, Werte, Reputation

Darum sind Inhalte wichtig. Geschichten und Erfahrungen, nicht nur Anweisungen und Absprachen. Damit schaffen wir es, authentisch über die breite Palette konkreter Bedrohungen – Infizierung, schwere Krankheit, Tod auf der einen Seite und Ladenschließungen, Kurzarbeit, Auftragsrückgang etc. auf der anderen Seite, zu sprechen, Betroffene einzubinden und eine Basis für Vertrauen und Miteinander zu finden. Derzeit ist immer wieder vom Besten und Schlechtesten die Rede, das eine Notsituation zum Vorschein bringt. Ein Unternehmen, das jetzt auf Flexibilität, Solidarität, Verständnis und Mut setzt, diese Haltung aber selbst bisher nicht gelebt und befördert hat, punktet allenfalls auf der Verlogenheitsskala. Interne Kommunikation in der Krise fußt wesentlich auf den Erfahrungen der Mitarbeiter im normalen Arbeitsalltag. Deswegen sind gelebte Unternehmenswerte so wichtig. Nicht nur als Kaufargument für Produkte, sondern eben auch als Grundlage des Miteinanders in der Firma. Es geht auch um Wertschätzung. Zuwendung und Symbole sind wichtig: Das zeigen Anwohner, die Beifall klatschend auf Balkonen stehen, Einkaufende, die respektvoll mit den Menschen an der Kasse reden und Arbeitgeber, die sich in Anzeigen und Spots bei ihren Angestellten bedanken.

Daraus wiederum resultiert Reputation. Sind die Werte der Organisationen und der dort beschäftigten Menschen kongruent, dann sind Mitarbeiter im besten Sinne Botschafter ihres Arbeitgebers in der Öffentlichkeit. Das gilt in Hinblick auf Marke, Identität und Markenversprechen. Und es gilt gerade auch für die Haltung und die Werte, für die ein Unternehmen in der Gesellschaft offensiv eintritt.

Stimmen Mitarbeiter und Unternehmen in ihren Werten überein, fußen Solidarität und Offenheit auf gelebter Unternehmenskultur, dann können sich Unternehmen auf ihre Mitarbeiter verlassen. Auch und gerade in Krisen: im verantwortungsbewussten Handeln im veränderten Arbeitsalltag und in ihrer Wirkung als Botschafter in der Öffentlichkeit.

(Bidnachweis – auch Header: Photo by Joshua Hoehne on Unsplash)