1. Corporate Influencer:innen als authentische Markenbotschafter
Die zunehmende Zahl digitaler Kommunikationsmöglichkeiten geht mit einer immensen Informationsflut einher. Unternehmen stehen damit vor der Herausforderung, sich bei ihren Zielgruppen Gehör zu verschaffen. In der Folge dringen Marken mit unpersönlichen Botschaften immer seltener zu ihren (potenziellen) Kund:innen und auch anderen Zielgruppen durch. Unternehmen sind daher gezwungen, neue Wege in der Zielgruppenansprache zu gehen.
Einen vielversprechenden Ansatz für eine authentische und vertrauensvolle Kommunikation stellen Corporate Influencer:innen dar. Niemand kennt das Unternehmen, seine Produkte und Zielgruppen besser als die eigene Belegschaft. Als Corporate Influencer:innen können sie zu authentischen Markenbotschafter:innen werden, die auf ihren privaten Kanälen unternehmensbezogene Inhalte publizieren und verbreiten.
2. Vielfältige Einsatzmöglichkeiten
Die Facetten und Möglichkeiten zum Einsatz von Corporate Influencer:innen sind vielfältig. Sie reichen von der Einbindung von loyalen Mitarbeiter:innen, über die Expertenpositionierung von Fachleuten bis hin zu den Social CEOs, die der Vorstandskommunikation eine persönliche Note verleihen. Corporate Influencer:innen sind Personen, die in ihrer Domäne das Vertrauen einer relevanten Anzahl von Personen genießen und diese fortlaufend via Social Media-Kommunikation über die Aktivitäten rund um ein Unternehmen oder eine Marke informieren. Dabei besitzen Corporate Influencer:innen besondere Überzeugungskraft, weil sie emotional positiv mit dem Unternehmen verbunden sind, zum Beispiel in ihrer Rolle als Arbeitnehmer*in.
IKEA veröffentlichte 2019 auf ihrem YouTube-Kanal das Format „IKEA Tipps & Tricks“. In den Filmen gaben Mitarbeiter:innen Einrichtungstipps und lieferten gleichzeitig einen authentischen Einblick in das Haus des schwedischen Möbelherstellers. Bei Microsoft gibt Magdalena Rogl als Head of Digital Channels dem Software-Unternehmen seit vielen Jahren ein Gesicht. Ihrem LinkedIn-Profil folgen mittlerweile mehr als 16.500 Nutzer:innen. Auf dem Kanal gibt sie einerseits einen kompetenten Einblick als Führungskraft zum Thema Digitalisierung. Andererseits vermischt sich der fachliche Content mit persönlichen und personalisierten Inhalten. Dies schätzt ihre Leserschaft und genau das ist auch die Stärke des Ansatzes: Ein authentischer und persönlicher Einblick in ihren Arbeitsalltag.
3. Digitalisierung und die besondere Rolle von LinkedIn
Ein zentraler Treiber für den Einsatz von Corporate Influencer:innen ist die Digitalisierung und die vielfältigen Social Media-Kanäle. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat die Relevanz dieser Kommunikationsmöglichkeiten noch einmal beschleunigt. Laut der aktuellen ARD-ZDF-Onlinestudie nutzen inzwischen 94 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren das Internet. Die durchschnittliche Nutzungsdauer stieg dabei im Vergleich zum Vorjahr auf 204 Minuten täglich. Die zahlreichen Möglichkeiten des Social Webs haben dabei die Perspektive von ehemals senderorientierten zu interaktiven und partizipativen Nutzungsformen geführt. Dies bietet auch Unternehmen neue Möglichkeiten, ihre Zielgruppen besser zu erreichen – etwa durch die Einbindung von Corporate Influencer*innen.
Im Digitalen lässt sich zunehmend die Rolle des Privaten und des Beruflichen nicht mehr trennen. Eine klare Unterscheidung von Rollen als Privatperson und als Arbeitnehmer:in gibt es im Social Web immer seltener. Die Sphären verschwimmen – und genau das macht den Reiz der Corporate Influencer:innen-Kommunikation aus und verleiht ihr Authentizität.
Im beruflichen Kontext hat sich zunehmend das Business-Netzwerk LinkedIn als zentraler Kanal für das Corporate Influencing etabliert. LinkedIn verfügt mittlerweile über 722 Millionen Nutzer:innen weltweit. Im DACH-Raum sind es über 16 Millionen. Dabei bietet LinkedIn sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen multimediale Darstellungsmöglichkeiten und zahlreiche Formate. Sie reichen von einfachen Posts in News-Feeds, über die Verbreitung von Bewegtbild-Formaten, bis hin zu Live-Broadcastings, Stories und Microblogging-Formaten. Je nach Kontext können weitere Kanäle des Social Webs selbstverständlich auch eine Rolle spielen, wie etwa Facebook, Instagram oder YouTube.
4. Was macht den Reiz aus?
Klaus Eck berät mit seiner Agentur D-Tales Unternehmen zu Corporate Influencer*innen-Kommunikation. Er begründet die Funktionalität dieses Ansatzes wie folgt: „Menschen lieben Menschen und reagieren darauf stärker als auf Corporate Channels“. Denn Menschen sind soziale Wesen. Sie kommunizieren und interagieren gerne mit anderen Menschen. Dabei spielt Vertrauen eine wichtige Rolle. Vertrauen wiederum wird erzeugt durch Authentizität. Unternehmensbotschaften haftet dagegen vielfach der Ruf der manipulativen Absicht an. Authentische, persönliche und sympathische Kommunikation über Corporate Influencer*innen hingegen hilft beim Aufbau von Vertrauen.
Daneben bietet der Einsatz von Corporate-Influencer:innen im Kampf um die Aufmerksamkeit weitere Vorteile: Sie fungieren einerseits als zusätzliche Multiplikatoren, die Reichweite für verschiedene Botschaften generieren können. Andererseits eignen sie sich auch, um Wissen zu vermitteln, Botschaften und Themen in die Sprache von Zielgruppen zu übersetzen und so Inhalte und Formate zielgruppengenauer zu adressieren. Doch wie müssen Unternehmen vorgehen, um Mitarbeiter:innen dafür zu begeistern, als Markenbotschafter:innen im Digitalen aufzutreten?
5. Corporate Influencer:innen-Programme
Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie begeisterte und engagierte Mitarbeiter:innen als Fürsprecher:innen für Unternehmensbotschaften gewonnen werden können. Wer eignet sich dafür und welche Vorbehalte bestehen möglicherweise bei den Mitarbeiter:innen? Gelichzeitig gilt es zu klären, wie sie bei dieser Arbeit professionell unterstützt werden können, beispielsweise über Schulungen, Guidelines und Ansprechpartner:innen. Zunehmend gehen Unternehmen dazu über, solche Fragen in Corporate Influencer:innen-Programmen zu berücksichtigen.
Der Handelskonzern OTTO startete 2017 das „Jobbotschafter-Programm“. Über 100 Mitarbeiter:innen waren damals Teil des Programms, das potenziellen Bewerber:innen einen Einblick in die Kultur und Arbeitsatmosphäre des traditionsreichen Versandhauses zu ermöglichen. „Wir möchten, dass potenzielle Bewerber direkt und aus erster Hand von beteiligten Kollegen erfahren können, was sie bei OTTO erwartet – unsere Mitarbeiter werden also zu Influencern und suchen ihre zukünftigen Kollegen mit aus“, so Katy Röwer, OTTO Bereichsvorstand Personal und Service. Mittlerweile ist die Anzahl der Job-Botschafter:innen auf über 200 angewachsen. Andere große Unternehmen wie Bosch, die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post haben ebenfalls ähnliche Programme aufgelegt.
6. Planvolles Vorgehen und strategische Anbindung
Der Einsatz von Corporate Influencer:innen setzt eine klar definierte Strategie voraus und verlangt ein planvolles Vorgehen. Wer sind die Zielgruppen und welche Ziele sollen erreicht werden? Was sind die zentralen Themen und Werte des Unternehmens? Welche Kanäle und Formate eignen sich für die Umsetzung? Auch die Definition von Zielen und KPIs sind unerlässlich, denn nur so kann im Anschluss eine sinnvolle Evaluation erfolgen, aus der strategische Implikationen abgeleitet werden können. All diese Fragen sollten zunächst klar beantwortet werden.
In einem zweiten Schritt müssen darauf aufbauend geeignete Mitarbeiter:innen identifiziert werden. Kriterien, die dabei hilfreich sein können, sind je nach Zielsetzung eine starke Vernetzung im digitalen Raum, eine Authentizität, fachspezifisches Wissen und Kommunikationsfreude. Eine generelle Affinität zu sozialen Medien sollte zudem Grundvoraussetzung sein. Corporate Influencer*innen können somit unterschiedliche Rollen einnehmen: Beispielsweise als Führungskraft, als Expert:in, als loyale:r Mitarbeiter:in oder als Vertriebler:in. Dabei ist es ratsam, nur Mitarbeiter:innen mit einzubinden, die sich für eine solche Aufgabe auch freiwillig entscheiden.
Bei der Identifikation von Themen hilft es, einen Dreiklang zu berücksichtigen: 1. Was stellt die Person als Corporate Influencer*in dar und was sagt sie? Dabei spielen Aspekte wie die Persönlichkeit, zentrale Standpunkte der Person, Themen, für die sie steht oder aber auch die Frage danach, über welche digitalen Präsenzen sie verfügen und wie stark sie darin vernetzt sind. 2. Was interessiert die Zielgruppen eines Unternehmens? Es ist wichtig, das Informationsbedürfnis, die Schmerzpunkte und die Mediennutzung der Zielgruppen zu kennen. 3. Was möchte ich als Unternehmen kommunizieren? Dabei geht es darum, die Vision, die Werte, die Positionierung und die Kernbotschaften zu berücksichtigen. In der Schnittmenge dieser drei Bereiche liegt der Bereich, der dabei hilfreich ist, thematische Schwerpunkte zu definieren.
Darauf aufbauend sollten Leitlinien erarbeitet werden. Diese helfen dabei, den grundsätzlichen Kurs festzusetzen. Eine Definition von Guidelines, der grundsätzlichen thematischen Ausrichtung sowie eine Integration der Corporate Influencer:innen-Kommunikation in die Gesamtstrategie stiftet Orientierung. Ein Kickoff-Meeting, in dem diese Leitlinien vermittelt werden, nimmt alle Beteiligten mit auf den Weg. Offene Fragen können dabei geklärt und Bedenken abgebaut werden. Dies wiederum stärkt die Wertschätzung und das Vertrauen der beteiligten Corporate Influencer:innen. Wichtig ist es auch, den beteiligten Personen dafür Kapazitäten im Rahmen ihrer Arbeitszeit einzuräumen.
In der Umsetzung ist es wichtig, die Corporate Influencer:innen durch die Bereitstellung von relevantem und hochwertigem Content zu unterstützen. Bei allen Rückfragen sollten Ansprechpartner*innen zur Verfügung stehen. Regelmäßige Workshops und Meetings tragen zusätzlich zur Vertrauensbildung aller involvierten Personen bei und geben Sicherheit. Zudem ist auch ein kontinuierliches Monitoring sinnvoll, das in einer strategischen Evaluation mündet, in dem sinnvolle Implikationen abgeleitet werden.
6. Fazit
Der Einsatz von Corporate Influencer:innen erweitert gezielt den Kommunikations-Mix und bietet für Unternehmen zahlreiche Vorteile: Die Corporate Influencer:innen stellen authentische Fürsprecher:innen in einem Unternehmen dar. Sie fungieren als zusätzliche Multiplikator:innen und können so einen wertvollen Beitrag zur Markenbildung leisten. Dabei ist eine planvolle und strategische Vorgehensweise unabdingbar. Wird dies berücksichtigt, so handelt es sich um ein probates Mittel für Unternehmen, dem fragmentierten Meinungsmarkt der Zielgruppen zu begegnen und Themen über herkömmliche Wege hinaus zielgruppengenau zu kommunizieren.
Foto Header: james-pond-unsplash
Der Text erschien ebenfalls im “kommunikationsmanager 1-2021”