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Sein Kopf sagte: Gute Wahl. Sein Bauch schlug Alarm

Sein Kopf sagte: Gute Wahl. Sein Bauch schlug Alarm

Vernunft, Gefühl oder beides: Welche Stimmen sind eigentlich relevant für unsere Entscheidungen?

Schneller als gedacht rannte Copper die Zeit davon. Es ging um Korruption, so viel stand mittlerweile fest. Um tiefer zu bohren, hatte er drei mögliche Informanten ausgemacht. Aber wem sollte vertrauen? Jeder der drei schien aus gewissen Gründen der Beste, und das machte Copper noch unentschlossener. Einfach nach Gefühl entscheiden? So oder so: Bis morgen um zwölf Uhr wollte sein Klient mehr wissen. Coppers Entscheidung sollte also besser die richtige sein. Beim Gedanken daran schien sein Gehirn langsam Blasen zu schlagen.

ExperteWie entscheiden wir eigentlich, was für uns relevant ist? “Vereinfacht gesagt gibt es eine Kontrollinstanz im Gehirn, eine Art Chef, der sagt, worauf wir uns konzentrieren”, sagt André Weinreich, Psychologe an der Humboldt-Universität Berlin. Der Chef in unserem Gehirn kann sich zum Beispiel dafür entscheiden, ein bestimmtes Gesicht in einer Menschenmenge zu suchen. Dann werden in  Sekundenbruchteilen Farben, Kanten und Rundungen der wahrgenommen Gesichter auseinander genommen und mit denen des gesuchten Gesichts abgeglichen.

Also entscheiden wir eigentlich nicht: Der Großteil unserer Wahrnehmung läuft unterbewusst ab. Millionen Reize strömen jede Sekunde auf uns ein – doch nur wenige nehmen wir überhaupt bewusst wahr. Wir tun vieles, ohne dass wir darüber nachdenken. Das ist für uns häufig eine Erleichterung. “Wenn wir einen Ball fangen, müssen wir die passende Winkelposition nicht berechnen. Das würde uns ohnehin überfordern”, sagt Weinreich.

 

KugeleinzelVon Gefühlen gelenkt

Doch treffen wir auch Entscheidungen, ohne zu bemerken, welche Kriterien uns dazu bewogen haben. “Wir müssen akzeptieren, dass wir durch viel mehr Reize gesteuert werden, als wir wahrhaben wollen”, sagt Weinreich. Wenn etwa vor einem Ereignis bestimmte Erinnerungen wachgerufen oder Gefühle ausgelöst werden, beeinflusst das unsere Entscheidungen, ohne dass wir es merken. “Experimente zeigen, dass viele emotionale Bewertungen ohne unser Zutun geschehen”, sagt Weinreich. Emotionale Reaktionen sieht der Experte als Stellungnahme des Organismus zu einer bestimmten Situation – ein inneres Barometer, das zwischen “alles im grünen Bereich” und “Gefahr im Verzug” hin und her pendelt. Manche grundsätzliche Bewertungskriterien sind dabei auch angeboren: Bestimmte Eigenschaften von Nahrung – zum Beispiel Fettigkeit oder Süße – lösen automatisch ein positives Signal aus.

Andere Entscheidungen basieren auf den bisherigen Erlebnissen – sprich einem Netzwerk verschiedener Erinnerungen und Bewertungen. Wer Entscheidungen trifft, greift darauf zu. Die Frage ist immer die gleiche: Tue ich etwas oder lasse ich es bleiben. Doch je nach Situation unterscheiden sich unsere Relevanzkriterien erheblich. Wer zum Beispiel etwas gewohnt ist, bei dem wurden zuvor bestimmte Assoziationen im Gehirn immer wieder angesprochen – bis sie sich verfestigt hatten. So liest man die gleiche Zeitung, schaut die gleichen Fernsehsendungen, kauft die gleichen Produkte. Damit überhaupt eine Gewohnheit entsteht, spielt die Verfügbarkeit eine wichtige Rolle. “Je verfügbarer etwas ist, desto eher entscheiden wir uns dafür”, sagt André Weinreich. Das eigene Produkt in der Wahrnehmung des Kunden zu verankern, ist daher auch eine zentrale Aufgabe von Marketing. Beim Stichwort “Fast Food” haben viele sofort das goldene “M” vor Augen, während beim geplanten Handykauf ein Produkt von “Apple” naheliegend erscheint. Eine bedeutende Rolle spielt dabei auch, inwieweit durch ein bestimmtes Produktversprechen positive Emotionen aktiviert werden. Denn als inneres Barometer fördern diese die Entscheidung für ein Produkt.

KugeleinzelEmotionen der Kunden verstehen

Allerdings: Emotionale Bewertungen sind vielfältig, unwillkürlich und oftmals unbewusst. “Je nachdem, wie zum Beispiel ein Plakat gestaltet ist, unterscheidet sich die Verankerung im Gehirn des Kunden”, sagt Weinreich. Für Werbetreibende und Kommunikationsverantwortliche stellt sich die Frage, welche Reize eine optimale Wirkung erzielen.

Das Neuromarketing bietet Wege, diese zu erkennen. Dazu werden die Aktivitäten im Gehirn aufgezeichnet oder über Parameter abgebildet. Weinreich empfiehlt, kreative Spielräume auszuschöpfen. “Geht es etwa darum, mit einem Plakat zu werben, können ruhig 50 Entwürfe angefertigt und dann auf ihre Wirksamkeit getestet werden.” So lassen sich emotionale Reaktionen etwa über die Bewegungen der Gesichtsmuskulatur nachvollziehen. “Selbst minimale, nicht sichtbare Bewegungen des Stirnrunzelns, eines Muskel im Bereich der Augenbraue, deuten auf negative Emotionen hin”, sagt Weinreich. Umgekehrt sprechen Bewegungen des Lachmuskels für positive Emotionen. Bei Messungen dieser Art gibt es noch ausgefallenere Methoden. Mit der sogenannten Hautleitfähigkeitsreaktion wird geprüft, inwieweit eine Werbemaßnahme eine bleibende Wirkung hinterlässt. Dazu werden an den Fingern der Testpersonen Elektroden angebracht. Der Hintergrund: “Wenn das Gehirn arbeitet, ist die Haut feuchter, die Leitfähigkeit steigt. So deutet eine hohe Gehirnaktivität beim Betrachten von Werbung oder beim Lesen eines Textes auf eine stärkere Verankerung hin”, erklärt Weinreich.

KugeleinzelKopf oder Bauch?

Letztlich hat auch die Zeit eine hohe Bedeutung für die Relevanz. “Personen, die unter Zeitdruck stehen, handeln anders”, sagt Weinreich. Das haben insbesondere Studien im Public-Health-Bereich gezeigt. Einen Apfel oder einen Schokoriegel essen? Versuchsteilnehmer, die unter Zeitdruck standen, griffen eher zum Schokoriegel, weil dieser zumindest auf den ersten Blick angemessen erscheint. Diejenigen, die Zeit hatten, über ihre Entscheidung nachzudenken, nahmen öfter den Apfel.

Lange überlegen, dann die gesunde Alternative wählen: Das klingt nach einer klassischen Kopf-Entscheidung, die durch Abwägen des Für und Wider entstanden ist. André Weinreich sieht das anders: “Auch Kopf-Entscheidungen basieren letztlich auf Emotionen. Wer etwa ein bestimmtes Auto kaufen möchte, sammelt Fakten dafür und dagegen. Den Ausschlag für die Entscheidung geben aber die emotionalen Bewertungen dieser Fakten.” Doch ist es letztlich sinnvoll, lange über seine Entscheidungen zu nachzudenken oder sollte man frei aus dem Bauch heraus entscheiden? “Eine eindeutige Antwort gibt es nicht, es hängt vom Einzelfall ab”, betont Weinreich. Vermeiden sollte man in jedem Fall, zu viele Informationen als relevant anzusehen. So hat der Entscheidungsforscher Gerd Gigerenzer herausgefunden, dass viele gute Entscheidungen auf Basis weniger relevanter Informationen getroffen werden. Solche Heuristiken sind funktional und kein Zeichen von Faulheit. Faustregel: “80 Prozent sind im Grunde ausreichend. Alles andere kann eher zur Verwirrung führen”, so Weinreich. Wie die Psychologen Thomas Wilson und Jonathan Schooler herausgefunden haben, kann es sogar ungünstig sein, zu viel über eine Entscheidung nachzudenken.

Der Chef in unserem Gehirn: Was ist für ihn letztlich relevant? Fest steht: Emotionale Bewertungen spielen – ob bewusst oder unbewusst – letztlich eine entscheidende Rolle. Im Sinne des Unternehmenserfolgs ist es daher wichtig, zu verstehen, welche Emotionen die Zielgruppe zur Kaufentscheidung führen können und wie sich das Produkt positiv im Gehirn verankern lässt.

 

 

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