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“Die Resonanz hält einem den Spiegel vor”

“Die Resonanz hält einem den Spiegel vor”

Wir treffen uns im “Gelben Salon”, trotz des Namens eines der kleineren Besprechungszimmer im Haus der Contentexperten. Hier steht unsere wichtige Frage umso größer im Raum: Was fangen wir nun an mit der erzeugten und gemessenen Resonanz?

Willkommen zu unserem Resonanz-Dialog. Zu Beginn schaut doch bitte mal zurück: Welche Resonanz auf eines eurer Projekte in der Vergangenheit hat euch völlig überrascht?

WERNER IDSTEIN Eine doch überraschende Resonanz haben wir bei einem Bloggerevent für Bauerfeind erlebt. Wir haben die Veranstaltung wie eine klassische Journalistenreise geplant und gedacht: Da gibt es im Nachgang hoffentlich ordentlich Output der Teilnehmer. Aber dann ist schon während der Veranstaltung ganz viel Content entstanden.

NEMO ALTENBERGER Wobei ich doch sagen würde, dass wir das so eingeplant hatten. Allerdings haben wir, gegen den ursprünglichen Wunsch des Kunden, auf eine bestimmte Karte gesetzt: Wir honorieren unsere Teilnehmer nicht. Das Event und die Themen werden für sich wirken. Und es kam genauso, wie wir gesagt hatten: Die Blogger haben von sich aus Resonanz erzeugt, weil die von uns vorgestellten Themen für sie Relevanz hatten.

Also, ihr habt im Vorfeld alles getan, um gute Resonanz zu bekommen. Ein Restrisiko bleibt aber bei solchen Modellen immer, oder?

LENA DRESENKAMP Klar. Garantieren kannst du Resonanz am Ende nie.

W.I. & N.A. Nee.

L.D. Selbst bei so großen Kampagnen wie den Edeka-Videos, die einen bestimmten Nerv präzise treffen und Millionen von Klicks generieren, funktioniert das vielleicht auch nur in einem von fünf Fällen. Die anderen vier, die floppen, sind in den Etats mit einkalkuliert.

N.A. Mit einer bestimmten Methode kannst du das Risiko eines Misserfolgs allerdings vermeiden: Du definierst Resonanz quantitativ, zum Beispiel in Form von Klickzahlen. Und kaufst dafür zum Beispiel Dagi Bee als Influencerin ein, die dann garantierte Leistung bringt.

Lena und Werner, ihr seid sehr viel mit Konzeption beschäftigt und habt da entsprechend Routine. Werdet ihr von der Resonanz auf die Ideen trotzdem auch mal kalt erwischt?

L.D. Was mich tatsächlich manchmal überrascht: Wir machen erst eine Analyse. Und stecken da viel Zeit und Geld rein und finden tatsächlich spannende Insights, zum Beispiel über die Zielgruppe, deren Konsumverhalten und Touchpoints. Und bevor ich nur ein Ergebnis der Analyse gezeigt habe, sagt der Kunde: “Wir machen die Kampagne jetzt übrigens so und so!” Dann denke ich: Ja, Sie können jetzt einfach mit diesem Plakat rausgehen, es wird aber keine Resonanz erzeugen, weil es an Ihrer Zielgruppe vorbeikommuniziert.

Du sagst, das kommt manchmal vor, aber nicht überwiegend, oder?

L.D. Nee, zum Glück nicht. (freut sich) Häufiger ist eine positive Überraschung der Art: Du sammelst Fakten, die für sich genommen meist noch gar nicht so besonders sind. Zum Beispiel über Zielgruppen oder öffentlich zugängliche Kundenmeinungen. Das müsste doch auch beim Kunden allen bekannt sein. Aber wir ordnen und präzisieren eben diese ganzen Fakten noch einmal neu, und plötzlich entstehen ganz neue Zusammenhänge. Und dann schaust du in Gesichter, die vollkommen baff sind und sagen, es sei ihnen so nie bewusst gewesen.

Das bringt mich zur Frage: Wer kann denn eurer Meinung nach die Resonanz der einzelnen Zielgruppen besser beurteilen? Die Kunden als Experten für ihr Produkt oder wir als Experten für Kommunikation?

W.I. Das hängt einfach vom ausgegebenen Ziel ab. Ein Beispiel für “Der Kunde kann es besser beurteilen”: Vor etwa 15 Jahren hat ein Lebensmitteldiscounter zum ersten Mal Rezeptbroschüren ausprobiert, der Erstling enthielt Weihnachtsrezepte vom Sternekoch. Was der Kunde nicht erzählt hatte: In der Zutatenliste waren unter anderem zwei Ladenhüter enthalten. Das war ein zweifacher Test: Erstens, funktioniert das Magazin? Zweitens, bekommen die Ladenhüter einen Absatzschub? Es hat funktioniert. Sie haben tatsächlich die Ladenhüter im gleichen Maß verkauft wie alles andere. Und wir haben den Auftrag für weitere Broschüren erhalten.

“Wichtig ist die Frage nach dem Warum.”
– Lena Dresenkamp

L.D. Ich glaube, die größte Resonanz, die wir jemals erzeugt haben, war mit dem Werkstattbrief aus dem Jahr 2014. Und zwar nur wegen des einen Spruchs auf dem Cover: “Kannste schon so machen, aber dann isses halt kacke”. Der kam an und blieb hängen.

N.A. Und das war so eine True-Fruits-Nummer, weil der Spruch provoziert und überrascht hat und sich manche Leute sogar angegriffen fühlten.

W.I. Ein anderes Beispiel, bei dem nicht Provokation, sondern Empathie Resonanz hervorgerufen hat: Die Commerzbank hatte im Mitarbeitermagazin einen trockenen alkoholkranken Mitarbeiter vorgestellt, der einen erfolgreichen Entzug hinter sich hatte. Mit Angabe seiner privaten E-Mail-Adresse und Telefonnummer. Resonanz darauf: Fast 20 Leute haben ihn direkt angerufen und gestanden, dass sie ebenfalls von dieser Sucht betroffen sind. Zudem haben sich ungefähr zehn Leute als Suchtberater gemeldet und ihre Hilfe angeboten. Das ist eine sehr konkrete und starke Resonanz auf eine sehr authentische Geschichte.

Emotion kann also Resonanz erzeugen, Provokation natürlich auch. Weil Nemo gerade den Smoothie-Hersteller “True Fruits” erwähnt hat: Wie beurteilt ihr dessen Auftreten?

N.A. Gehen wir mal auf das Schematische: Sie machen jedes Jahr etwas, das Provokation hervorruft. Das passt auch zum Stil, wie sich die beiden Geschäftsführer auf YouTube geben. Die Marke funktioniert einfach.

L.D. Dieser Mechanismus kann aber auch total schnell kippen.

N.A. Glaube ich nicht.

Gekippt ist es ja schon bei gewissen Menschen. Als sie zum Beispiel den weißen Smoothie in der schwarzen Flasche verkauft haben, dieses Produkt dann “Schluck im Dunkeln” genannt und auf der Verpackung einen Vergleich zu hässlichen Frauen gezogen haben.

L.D. Ganz ehrlich: Die schwarze Flasche hat eine schicke Optik, und ich finde das eine gute Idee, denn der Inhalt sieht wirklich eklig aus. Das dann Blindverkostung zu nennen, funktioniert schon mal ohne Provokation. Die hat True Fruits trotzdem genutzt, darauf gab es eine Reaktion, und die Macher hatten zwei Möglichkeiten: “Sorry” sagen oder Mittelfinger zeigen. Mit der zweiten Option haben sie definitiv mehr Resonanz erzeugt.

N.A. Die höchste Kunst ist doch der Dialog mit der Zielgruppe, und das haben sie sehr gut hinbekommen. True Fruits hat nicht nur einen Shitstorm geerntet, sondern sich dann auch noch mit Kritikern angelegt.

Das Stichwort “Dialog” bedeutet ja auch, dass die Leute ihrer Resonanz vergleichsweise viel Zeit widmen. Als positive Variante finden sich auf Facebook-Seiten von Unternehmen bisweilen fast schon “Liebesbriefe”. Ist so was nicht ein ganz besonderes Ereignis und damit mehr wert als ein bloßer Klick?

L.D. Ich würde es nicht bewerten, denn du erreichst verschiedene Dinge. Natürlich zählt für Unternehmen erst mal Quantität: Wie viele Leute kaufen Produkte oder Dienstleistungen oder konsumieren den Content dazu? Wenn du es aber schaffst, jemandem einen Liebesbrief zu entlocken, bleibt er dir vermutlich lange erhalten. Und vielleicht kann er ja noch ein paar Freunde überzeugen…

W.I. Letztlich heißt es, dass wir mit allem, was wir kommunikativ tun, auch quantitative Erfolge erzeugen. Mehr Abverkauf oder, falls man zum Beispiel Wahlwerbung betreibt, mehr Stimmen.

N.A. Die festgelegte Größe der Zahl muss im jeweiligen Fall prozentual ein Erfolg sein. Zum Beispiel die eine Million Kontakte für Bauerfeind in der Läuferszene.

W.I. Oder ein anderes Beispiel in viel kleinerem Rahmen, aber eben auch mit prozentual riesigem Erfolg: Ein Unternehmen in Mannheim — nicht mit dem besten Ruf — fand keine Auszubildenden. Wir haben daher als besondere Aktion junge Leute in ein Bowling Center eingeladen und dort das Unternehmen vorgestellt. Zusammen mit Plakatwerbung und Flyern stieg die Bewerberzahl um das Zehnfache.

L.D. Wegen Bowling?

W.I. Ja, wegen Bowling. (alle lachen) Das Unternehmen bekam dadurch plötzlich die Chance, erlebbar zu werden.

Beim Planning muss man ja erst mal unter anderem die Resonanz der Kunden bewerten, um dann eine Strategie zu entwickeln. Wie geht ihr eigentlich damit um, dass laut Studien rund die Hälfte der Klickzahlen im Internet von Bots und nicht von Menschen stammt?

L.D. Das ist ein Problem, du kannst es aber nicht abschalten. Deshalb kommt bei der Bewertung natürlich noch der gesunde Menschenverstand dazu.

N.A. Sehr wichtig, dieser letzte Punkt. Du hast Empirie und Analysen, aber was Kunden mindestens ebenso wichtig ist, um überzeugt zu werden, ist Urteilsvermögen aus Erfahrung. Da geben uns die Kunden dann einfach ihr Vertrauen, das wir am Ende natürlich rechtfertigen müssen.

W.I. Und um solche Kommunikationserfolge zu schaffen, musst du Mechanismen verwenden, die du wirklich kennst.

L.D. Außerdem ist die Frage nach dem “Warum” wichtig. Du hast eine Zahl, die etwas über Resonanz aussagt, aber warum hat sie eigentlich diesen oder jenen Wert?

W.I. Zuhören und hinterfragen ist extrem zielführend. In der Konzeptphase ist es richtig, den Kunden auch einmal zu verunsichern. Er muss zumindest zeitweise zweifeln, ob all das, was er bisher gemacht hat, optimal ist. Dann haben wir einen Ansatzpunkt für den Austausch.

N.A. Allein, wenn du jemanden fragst: “Habt ihr auf diesem Weg mal was verkauft?” erwischst du ihn einfach kalt.

“Es ist richtig, den Kunden zu verunsichern.”
– Werner Idstein

L.D. Das ist übrigens auch ein heikler Punkt, denn nicht jeder möchte sich so was fragen lassen. Aber ich denke, wir haben gerade einen Kern eingekreist, wie man Resonanz bewertet: Zahlen erheben, diese aber auch infrage stellen und Zusammenhänge erkennen. Und das schon in der Konzeptphase: “Was wollt ihr erreichen, und haut das hin mit eurem gewünschten Ansatz?” Schönes Beispiel aus jüngerer Zeit: Ein Flirtportal bittet um eine Kampagnen-Idee, mit der Klickzahlen und Anmeldungen erhöht werden sollen. Da kannst du sagen: “Alles klar, wir machen eine total emotionale Kampagne, es geht ja ums Verlieben.” Oder du meldest dich da einfach mal an und stellst fest: Das sind ja 17 Seiten Fragebogen! Das Problem lässt sich also sicher nicht allein mit einer Kampagne lösen, sondern vor allem mit einer einfacheren Anmeldung.

Wenn wir Kunden so eine analytische Resonanz geben, sind die vermutlich sehr dankbar?

L.D. Oft, aber nicht immer. Manchmal sagen sie auch: “Ja, danke, ich hätte aber gerne einfach die Kampagne.” Oder sie wollen sich auf eine Weise präsentieren, die eigentlich nicht zur Unternehmensrealität passt. Sodass wieder der Spruch passt: Kannst du so machen, aber dann ist es halt kacke.

W.I. Wenn es zu bunt wird mit diesen aus unserer Sicht nicht hilfreichen Kundenwünschen, muss man ehrlicherweise aber auch sagen: “Du passt nicht zu uns.”

Danke für die interessanten Ansichten. Ich hätte noch eine Abschlussfrage: Der Begriff “Resonanzmarketing” besagt in etwa: Jede Reaktion deiner Kunden auf dein Produkt oder deine Kommunikation ist letztlich ein Spiegel deiner eigenen Haltung. Geht ihr da mit?

W.I. Das klingt aber etwas esoterisch…

L.D. Hast du da ein Beispiel?

Zum Beispiel bei einer Firma, die sehr für das Vertrauen wirbt — und dann ärgern sich die Kunden auf Facebook, dass zum Beispiel die Kostenstruktur unübersichtlich ist.

N.A. Also schaffen sie an dieser Stelle kein Vertrauen. Die Resonanz hält ihnen den Spiegel vor. Auch deshalb holen sich Firmen unsere Beratung — damit wir ihnen solche Widersprüche spiegeln, bevor es die Kunden tun.

L.D. Ich frage mich, was das für unser True-Fruits-Beispiel von vorhin bedeutet. Das heißt, die sind…

N.A. … frech, frei und provokativ. Sie erhalten eine enorme Resonanz. Selbst Leute, die sich an fiesen Witzen über das Aussehen oder das Leid der Flüchtlinge stören, kaufen diesen Drink.

L.D. Ich wollte so ein bisschen auf das ausgelutschte Wort Authentizität hinaus. Also wenn du sagst: “Wir schaffen Vertrauen” und tust es doch nicht, bekommst du ein Markenproblem und damit auch ein Resonanzproblem. Noch mal True Fruits: Bei dem Image schreit man nicht sofort “Juhu”. Aber in der Kommunikation sind sich die Macher treu geblieben. Zum Beispiel durch ein Interview mit einem Typen, der sich von einem Kellner mit nacktem Hintern bedienen lässt. Und haben dazu gesagt, sie seien nicht sexistisch.

“Auch keine Resonanz ist Resonanz.”
– Nemo Altenberger

N.A. Das Fazit aus unserem Gespräch wäre für mich in der Kurzform: “Auch keine Resonanz ist Resonanz.”

L.D. Ich würde sogar sagen, keine Resonanz ist eigentlich die stärkste Resonanz.

W.I. Wieso die stärkste?

N.A. Weil sie zeigt, dass du nichts geliefert hast, was die Leute berührt. Und das Gefährliche daran: Dadurch gibt es auch keine Hinweise, an welchen Stellen sich mal etwas ändern sollte.

L.D. Bei Nicht-Resonanz sollte man auf jeden Fall genau hinhören. Sie kommt relativ leise daher, ist aber sehr wichtig.

W.I. Ja, diesem Schlusswort stimme ich zu.

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