„Und was macht man da so?“

An meinen ersten Tag als Redaktionsvolontär erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. Endlich ein „richtiger Job“ – nach zehn Jahren Studium und vielen Nebenjobs. Zivildienst, Pflegedienst, Fahrdienst, Musikalienhandel, Programmarchiv und Presseagentur: Alles, was nötig war, um mich über Wasser zu halten. Jetzt würde ich ein Teil der Profilwerkstatt werden. 

Jeden Tag acht Stunden am Stück in der Agentur – das würde eine Herausforderung werden, dachte ich. Doch diese Bedenken verflogen recht schnell, denn ich verbrachte lediglich einen Tag vor Ort. Der Grund: Mein erster Tag war der 4. Mai 2020. Damals war die gesamte Agentur im Homeoffice – vorübergehend, wie ich damals dachte. Eine Handvoll Kolleg:innen war an meinem ersten Tag vor Ort, um mir alles zu erklären und bei der Einrichtung des Laptops zu helfen. Der Blick in den umtriebigen Agenturalltag war kurz – ab Tag zwei durchlief ich die Ausbildung im Homeoffice. Und was für eine Ausbildung das war!  

Der Werkzeugkasten 

Als Musikwissenschaftsstudent hatte ich kaum Erfahrung im Journalismus. In einem meiner vielen Nebenjobs hatte ich das Verfassen von „Abstracts“, kurzen Zusammenfassungen von Zeitungsartikeln, gelernt. Schreiben konnte ich allemal, doch musste ich feststellen, dass mein „Stil“, falls man das so nennen kann, im Journalismus kaum anwendbar war. Musikwissenschaftliche Hausarbeiten glänzen mit wohldurchdachten Schachtelsätzen und einem schier endlosen Repertoire an Fachbegriffen, die niemandem geläufig sind – häufig nicht einmal anderen Musikwissenschaftlern. Der Sprachrhythmus eines Journalisten war ein regelrechter Kulturschock. Fast nur Hauptsätze, eine Information pro Satz, nur gelegentlich ein Nebensatz, um den Lesefluss zu erhöhen. Ich merkte schnell: Die Umgewöhnung würde nicht einfach werden. 

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Den ersten Werkzeugkasten bekam ich von Wolf Schneider. Sein Buch „Deutsch für junge Profis“ ist fester Bestandteil der agentureigenen Bibliothek – und fand schon am ersten Tag seinen Weg in meine Tasche. Kurze Wörter, kurze Sätze, keine Redundanzen, kein Passiv. Punkt. Grundregeln, die mir noch heute bei fast jedem Text in den Sinn kommen. Im nächsten Schritt kamen Leitsätze für Überschriften und Teaser. Warum? Weil Texte Leser:innen erst von sich überzeugen müssen. Und das funktioniert am besten mit guten Überschriften und Teasern. 

Learning by doing 

Fabian, mein Volo-Mentor, hatte das richtige Trainingsprogramm parat: Polizeimeldungen. Tagelang übte ich, daraus Artikel zu schreiben. Dabei lernte ich, welche Informationen wichtig und welche Reihenfolge am sinnvollsten war. Das war noch etwas, das ich lernen musste: Die Nachricht gehört an den Anfang. Dabei war ich es doch gewohnt, sie als Schlussfolgerung am Ende der Hausarbeit zu platzieren. So viele neue Informationen, so wenig Zeit… 

Dann kam mein erstes Magazinjournalismus-Seminar an der Akademie der Bayerischen Presse in München. Innerhalb von zwei Wochen lernte ich zusammen mit anderen Redaktionsvolontär:innen, wie man recherchiert, was man über das Presserecht wissen sollte, wie man suchmaschinengerecht oder für soziale Medien schreibt und vieles mehr.

Krönender Abschluss war das Verfassen eines Porträts. Dafür hatte ich einen befreundeten Musiker nach München eingeladen und dort einen Abend mit ihm verbracht. Auf den daraus entstandenen Text bin ich noch heute stolz. 

Mal hart, mal nicht: Der Arbeitsalltag 

Im Agenturalltag hatte ich stets die Möglichkeit, die gewonnenen Kenntnisse zu vertiefen. Interviews, Ratgeberartikel, Nachrichten, sogar Portraits – die Fülle an Medien, für die ich schreiben konnte, ließ keine Langeweile aufkommen. Die Menge meiner Aufgaben allerdings auch nicht. Etwa zur Halbzeit meines Volontariates führte mein übervoller Schreibtisch zu einer wichtigen Erkenntnis: Ich musste lernen, „Nein“ zu sagen. Das widerstrebte mir, denn ich wollte natürlich so viele Projekte bedienen wie möglich. Ich musste aber einsehen, dass die Qualität unter dem Zeitmangel litt. Mein Schreibtisch ist auch heute noch voll – aber ich kann besser planen und übernehme nicht mehr jede Aufgabe. 

Natürlich gibt es immer Höhen und Tiefen. Manchmal läuft alles einfach fantastisch, die Hände fliegen über die Tasten und Artikel für Artikel geht quasi unbeanstandet durch das interne Redigat. Das ist aber nicht die Regel. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass es auch Tage gibt, an denen man kaum einen halbfertigen Text zu Papier bringt. Manchmal ist der innere Schweinehund so groß, dass man seine ganze Kraft braucht, um überhaupt mit dem Schreiben zu beginnen. Hier ein Tipp: Wenn man einmal angefangen hat, nimmt der innere Widerstand meist ab. Manchmal kommt man sogar in einen regelrechten Schreibfluss. 

Begleitung durch schwere Phasen 

Wie (vermutlich) viele andere hatte ich zwischenzeitlich Phasen, an denen ich kein Vorankommen spürte. Ich trat gefühlt auf der Stelle, meine Texte kamen stets mit unzähligen Änderungen aus dem internen Redigat zurück. Hilfreich waren in diesen Situationen Gespräche mit Kollegen.

Was ich zunächst scheute, wurde zu einer großen Stütze: Die Meinung anderer zu meiner Arbeit zu erfragen.

Ich selbst hatte nie den gleichen Einblick in meine Fortschritte wie andere, und es baut ungemein auf, wenn man Sätze hört wie „Im Vergleich zum Anfang hast du schon einen ganz schönen Sprung gemacht“. 

Nette Kollegen sind ein Segen. Was nicht nur wegen des Reimes wie ein Klischee klingt, ist etwas, das ich erst in der Profilwerkstatt wirklich schätzen gelernt habe. Ein kollegiales Miteinander gehört in den meisten Unternehmen nicht zum Alltag – im Gegenteil. Häufig denkt jede:r nur an den eigenen Vorteil. Nicht so in der Profilwerkstatt. Ich war ab dem ersten Tag von der Arbeitsatmosphäre hier begeistert und bin es noch. Jede:r hier hat viel Arbeit. Trotzdem findet man bei Problemen, Fragen oder auch einfach nur Redebedarf immer offene Ohren. Ein Glücksfall, gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Redaktion im Grunde aus zahllosen einsamen Ritter:innen besteht, eingesperrt in ihren eigenen Homeoffice-Burgen. 

Zwei Jahre im Rückspiegel 

All diese Aspekte habe ich in meinen zwei Jahren als Redaktionsvolontär in der Profilwerkstatt kennen und lieben gelernt. Welche Erwartungen ich an das Volontariat hatte? Ganz pragmatische: Ich wollte lernen, wie man journalistisch arbeitet. Das habe ich. Und noch so viel mehr. Ich bin ein anderer Mensch geworden, entspannter, souveräner als vorher, und Teil eines tollen Teams. Diese Erfahrung kann ich jeder und jedem ans Herz legen.  

Habe ich Tipps? Eine gute Frage. All jenen, die sich so wie ich für einen Quereinstieg in die Welt des Journalismus entscheiden, möchte ich mitgeben:

Verabschiedet euch von eurem alten Schreibstil, aber nehmt euch Zeit. So etwas passiert nicht von heute auf morgen, und dieser Text enthält genug Schachtelsätze, die das belegen.  

Für alle, die ein Redaktionsvolontariat angehen wollen, habe ich einen besonders wichtigen Ratschlag: Entscheidet euch für ein Unternehmen, in dem ihr euch willkommen fühlt. Viele Aspekte der Zusammenarbeit bleiben lange im Verborgenen, aber wenn ihr euch im Kreis der Kolleg:innen sofort gut aufgehoben fühlt, schafft ihr es auch in schwierigen Zeiten, den Willen nicht zu verlieren – mit ihrer Hilfe. Und lernt, „Nein“ zu sagen. Ihr werdet feststellen, dass euch das in den meisten Fällen niemand übelnimmt und eure Arbeit davon profitiert. 

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