“Machen wir’s doch digital”

Kosten senken, ökologischer kommunizieren  oder Zielgruppen über neue Kanäle erschließen:  Gründe wie diese nennen  uns Unternehmen  typischerweise, wenn sie anstreben, ihre  Print-magazine zu digitalisieren. Wichtige Fragen zu strategischen Neupositionierung kommen vor der Umsetzung hingegen häufig etwas zu kurz: Wie lautet das Kommunikationsziel? Was soll das neue  Digitalmagazin leisten? Und auf welche Weise? Denn ein digitales Magazin füllt naturgemäß eine andere Rolle aus als ein Printmedium. Es gelten andere Spielregeln für Distribution, Vermarktung, Erzählweise sowie die inhaltliche und gestalterische Aufbereitung.  Kommunikationsverantwortliche in den Unternehmen, die diese Fragen vorab klar beantworten, schaffen einen Rahmen für eine möglichst erfolgreiche Umsetzung.  

Seit beinahe zwei Dekaden begleiten wir Unternehmen, die ihre Print-Magazine um digitale Formate verlängern oder sie gleich ganz digitalisieren. Was anfangs zumeist mit einem schnöden Online-PDF oder E-Paper begann, eröffnet über die Jahre ganz neue Chancen – technisch, gestalterisch, in der Erzählweise und schließlich auch vertrieblich. 

Aus einer häufig lästigen Pflichterfüllung sind neue Möglichkeiten erwachsen für Kommunikation, Marketing und Vertrieb. Als crossmediale Meilensteine gelten vielfach ausgezeichnete Multimedia-Projekte wie „Die Vermessung des Risikos“ im Jahr 2015 oder die digitale Verlängerung des „Weitwinkel“ seit 2018, jeweils für Union Investment Institutional. Auch für Freudenberg Sealing Technologies realisieren wir mehr als nur eine Verlängerung des Printmagazins “Essential” ins Web. Und auch mit kleinerem Mitteleinsatz lässt sich der Wunsch nach Digitalisierung mit einer klugen Konzeption erfolgreich umsetzen. Der folgende Überblick zeigt ein Vorgehen, dass sich in der Praxis als erfolgreich erwiesen hat. 

1. Was ist das Ziel? 

Ziele sind großartig. Je präziser sie formuliert sind, umso leichter können sich alle Beteiligten dahinter versammeln und ihre Energien bündeln, um sie zu erreichen. Wichtig: Hier geht es um Kommunikations-ziele! „Kosten senken“ mag ein Unternehmensziel bei der Digitalisierung eines Printmagazins sein – aber das ist kein Kommunikationsziel. Konkreter könnte dies beispielsweise sein, mit dem digitalen Medium die Markenidentität zu stärken, eine bestimmte Absenderkompetenz zu vermitteln oder eine bestehende Blindstelle im Rahmen der Kundenreise auszumerzen.  

2. Wer ist unsere Zielgruppe? 

Bei Mitarbeiter:innen-Magazinen lässt sich diese Frage zumeist schnell  beantworten. Bei Kund:innen-Magazinen lohnt sich ein eingehender Blick. Bietet der Wechsel von Print zu Digital neue Möglichkeiten, um neben Bestandskunden auch potenzielle Neukunden anzusprechen? Wie steht es um mögliche Multiplika-toren? Wichtig auch: Gibt es beim Umstieg von Print auf Digital datenrechtliche Einschränkungen zu beachten? 

3. Welchen Nutzen haben Absender:in und Empfänger:in?

Dies ist eine zentrale Frage, wenn es darum geht, eine strategische Zielsetzung möglichst nutzbringend und kreativ umzusetzen. Länger-fristig geht es um nichts weniger als um die  Daseinsberechtigung  des neuen, digitalen Mediums. Hier hilft ein gutes Erwartungs-Management: Denn ein digitales Magazin füllt naturgemäß eine andere Rolle aus als ein Printmedium. So scheitern die meisten Versuche eine Printheft mehr oder minder 1:1 durch eine digitale Variante zu ersetzen. Stattdessen bietet sich vorab eine Neu-Verortung auf der Kommunikations-Landkarte an – am besten basierend auf der User Journey sowie einer entsprechenden Contentstrategie. Kernfragen: Welche Aufgabe erfüllt der neue Kanal für den/die Absender:in und welche für den/die Empfänger:in? Lassen sich vermeintliche Nachteile in der Kommunikation in Vorteile ummünzen – beispielsweise bessere Dialogmöglichkeiten? Aber auch: Welche Erwartung an ein digitales Medium sollte man nicht haben, die man an ein Printmagazin hat?

4. Wie messen wir diesen Nutzen und bewerten ihn?

Diese Frage sollte recht schnell an die vorherige anschließen – also vor dem Projektstart. Hier hilft ein Blick auf den Status Quo, auf das Ziel und auch die zur Verfügung stehenden Mittel. Eine Leitfrage ist stets: Welche Ergebnisse bewerten die Beteiligten als gut oder erfolgreich? Und dann beginnt sich das Content-Rad zu drehen: A. kreieren, B. verbreiten, C. beobachten, D. analysieren, E. optimieren, F. parallel ausreichend  Reviews – und dann wieder von vorne. 

5. Welchen Content nutzen wir? 

An dieser Stelle ist unsere Erfahrung aus der jahrelangen  Kom-munikationsberatung klar: Wer themenorientiert denkt und kommuniziert, der tut sich an dieser Stelle leicht. In der neuen Kommunikationswelt  stehen an erster Stelle die aus der Content-Strategie abgeleiteten Themen. Daraus wird Content entwickelt, der sich dann über die zur Verfügung stehenden Kanäle ausspielen lässt. Dabei lassen sich wunderbar die Stärken der einzelnen Kanäle nutzen. So haben sich kurze Lesestrecken und Videoformate vielfach auch als gute Teamplayer bewährt – aber nur, wenn es das Thema verlangt oder zumindest ermöglicht. Hier lohnt es sich in jedem Fall, eine alte, kanalfixierte Denkweise hinter sich zu lassen. Die Reihen-folge erst Kanal, dann Thema und dann Content ist 2021 schlicht nicht mehr zeitgemäß. 

6. Wo findet die Interaktion mit dem Nutzer statt? 

So sehr wir Print mögen: Eine der großartigsten Sachen an digitaler Kommunikation ist die geringe Hürde für den Dialog mit den Ziel-gruppen. Es ist schlicht aufwendig und langatmig, bis sich jemand auf einen Impuls aus einem gedruckten Magazin meldet. Die Möglichkeit zur Interaktion über einen Chat oder soziale Netzwerke ist nur wenige Klicks entfernt. Und dieser Austausch kann für Absender:in und Empfänger:in enorm wertvoll sein. Auch gilt es vorab datenrechtliche Aspekte zu klären. 

7. Wie sieht die Vermarktung aus? 

Was nützt der beste Inhalt, wenn ihn niemand findet oder nicht davon weiß. Dieser Punkt ist bei einem Wechsel von einem Print-Magazin zu einem digitalen Angebot besonders zentral. Es ist beispielsweise eine Sache, eine Mitarbeiter:innen-Zeitung verlässlich an den Arbeitsplatz auszuliefern. Um die Belegschaft auf digitalem Wege mit den gewünschten Inhalten zu versorgen, braucht es ein ganz neues Konzept. 

8. Welche technische Grundlage hat die digitale Verlängerung? 

Vor dieser Frage haben viele Kommunikationsverantwortliche erfahrungs-gemäß etwas Respekt. Dabei muss das gar nicht sein: Wer ein Ziel definiert hat und die konzeptionellen Fragen sauber beantwortet, ist bereits auf dem richtigen Weg. Daraus lassen sich technische Anforderungen in der Regel sehr sauber ableiten definieren. 

9. Welchen Wert schafft das neue Medium? 

Häufig geht der Wunsch nach der Digitalisierung eines Printmagazins einher mit der Ansage, Kosten zu senken. Aus Controlling-Sicht sollte das ja nicht so schwer sein: Immerhin entfallen die Aufwände für den Druck und zumeist auch den Versand. Solch eine schlichte Sichtweise ist in der Regel ein schwerer Rucksack für einen neuen Kanal – und ist aus unserer Perspektive die falsche Erzählung. Die richtige Frage muss lauten, welchen Wert das neue Medium schafft. Dieser ergibt sich – siehe Punkt 3 – aus dem Nutzwert. Der Kostenpunkt x für Konzeption, Implementierung, Betrieb und Vermarktung eines digitalen Magazins steht in völlig anderem Licht, wenn es einen messbaren Wert gibt, etwa in der Kund:innenbindung, -gewinnung oder auch als Vertriebsunterstützung. Gelingt dieser Nachweis, erhält das Medium eine völlig andere Wertschätzung als nur die eines Kostenblocks. 

10. Print oder Digital: Was belastet die Umwelt weniger?

Der letzte Punkt ist grundlegender Natur. Es geht um den Wunsch,  ökologischer kommunizieren sowie die daraus abgeleitete Notwendigkeit, ein Print-Magazin zu digitalisieren. Hier ist zu beachten: Auch Digital Hub, App oder Onepager verbrauchen Energie – vom Download und bis zum Lesen am Bildschirm. Hinzu kommen Energie und Materialien zur Her-stellung der Endgeräte. Beim Lesen einer gedruckten Publikation wird die Umwelt hauptsächlich durch die Verwendung des Papiers belastet. Eine Schweizer Studie aus dem Jahr 2020 zeigt, dass digitale Kommunikation nicht per se ökologischer ist. Hier lohnt ein genauerer Blick auf die Nutzung – etwa auf Leseranzahl und Lesedauer. 

Und zum Schluss: Spürbarer Wandel 

Mehr als zwei Drittel aller Projekte der Profilwerkstatt sind heute digital. Dies deckt sich erstaunlich genau mit den Zahlen, die das Content Marketing Forum alle zwei Jahre in seiner Basis-Studie veröffentlicht: Demnach ist das Verhältnis der Content Marketing Investitionen in Print und in Digital zwischen 2012 und 2020 gekippt. Waren es vor neun Jahren noch 60 Prozent Print- und 40 Prozent Digital-Investitionen, so flossen bei der jüngsten Erhebung 62 Prozent ins Digitale und nur noch 38 Prozent in Printmedien. Dabei dürften die Auswirkungen der Corona-Pandemie noch ein Trendverstärker sein.