Close the Gap!

In vielen Unternehmen zeichnet sich ein ähnliches Bild. Da gibt es auf der einen Seite die Unternehmenskommunikation, die mit journalistischen Anspruch Agenda Setting betreibt, über Leuchtturmprojekte die Aufmerksamkeit von potenziellen Kunden auf das Unternehmen lenkt und bestehenden Kunden das gute Gefühl gibt, den richtigen Unternehmenspartner zu haben. Und auf der anderen Seite sind die Kollegen von Sales. Sie überzeugen Kunden auf Basis von Datenblättern, durchdachten Vorteilsargumentationen und attraktiven Preisen. Dazwischen – meist näher bei Sales als bei Corporate Communication – ist das Marketing. Es setzt die Produkte in Szene, bestückt einen Großteil der Website, organisiert Messen. Sie alle gehören einem Unternehmen an und haben eigentlich das gleiche Ziel – nur arbeiten sie nicht zusammen. Wenn sie nur nebeneinander und nicht gegeneinander arbeiten, dann wird das oft schon positiv wahrgenommen.

Doch die Welt, in der sich alle Beteiligten bewegen, braucht ein neues Miteinander. Geschieht dies nicht, bleiben nicht nur Chancen ungenutzt, sondern es wird jede Menge Geld verschwendet. Das zeigt auch eine aktuelle Highspot-Studie. Das erschreckende Ergebnis: 65 Prozent aller für Sales produzierten Inhalte werden nicht eingesetzt – dafür investieren die Vertriebskollegen 40 Prozent ihrer Zeit in die Erstellung eigener Inhalte, die besser zu ihren Bedürfnissen passen. Und das alleine in der Mitte und am Ende des Sales-Funnels – vom Anfang ganz zu schweigen. Was für eine Vergeudung von Potenzial und Ressourcen.

War doch schon immer so! Warum sollte sich das gerade jetzt ändern?

Neu ist die Problematik nicht. Aber auch hier wirkt Corona wie ein Katalysator. Schon seit Jahren stellen Unternehmen fest, dass etablierte Vertriebswege an ihre Grenzen stoßen. Neue Technologien bringen neue Köpfe ins Unternehmen. Dort wird das Geschäft der Zukunft gemacht. Bestehende Kontakte sichern lediglich den momentanen Bestand. Aber wie erreicht ein Unternehmen diese neuen Köpfe bei bekannten Unternehmen? Und wie erreicht man neue Köpfe in neuen Unternehmen? Denn angetrieben durch die Digitalisierung findet Innovation nicht mehr nur bei den großen Konzernen, sondern bei Start-Ups oder kleineren Unternehmen statt. Vor Corona gab es wenigstens noch die Messen als Kontaktpunkt. Aber ohne Messen? Das Netz schließt technisch die Lücke: Suchmaschinen, Soziale Netzwerke, Webinare, Online-Konferenzen, Blogs, Online-Magazine, Videochats. Die Reihe lässt sich weiter fortsetzen. Noch größer ist die Zahl an Tools, die diesen Austausch ermöglichen.  Aber ohne Inhalte sind die besten Kanäle nutzlos.

Vom Thema zum Produkt bedeutet: Inhalte aufbrechen – in beide Richtungen

Die Wegstrecke der Customer Journey, die ohne die führende Hand des Vertriebs digital zurückgelegt wird, wird auch im B2B immer länger. Studien zufolge informieren sich mehr als zwei Drittel aller Käufer lieber selbst als mit dem Vertrieb zu interagieren. Andere Untersuchungen gehen hier noch weiter und sprechen davon, dass 95 Prozent der Kaufvorentscheidungen im Netz getroffen werden – und zwar lange bevor es überhaupt einen Kontakt zum Vertrieb gegeben hat. An kritischen Wegmarken entscheidet der Content, welche Richtung eingeschlagen wird. Der erste Sog, der potenzielle Kunden dabei in den Funnel zieht, geht vom Thema aus. Nur so kommen sie auch bei den Produkten an. Dazwischen liegen entlang der kompletten Customer Journey Geschichten rund um Technologien, Entwicklungsarbeit und Unternehmensexperten. Dazwischen liegen auch Formate, die Sales nutzen kann, um Kunden direkt anzusprechen, um als Corporate Influencer ein Netzwerk aufzubauen und sich selbst und das Unternehmen voranzutreiben. Gleichzeitig liegen Content-Schätze bei den Sales Leuten, die im schlimmsten Fall verschüttet werden, im besten Fall mit den Kollegen aus R&D geteilt werden, aber im seltensten Fall bei Corporate Communication ankommen, um daraus wieder Themen und Geschichten zu generieren. Der Content im Sales Funnel weist an vielen Stellen Lücken auf. Lücken, durch die der Kunde einfach durchfallen kann oder durch die er besser sieht, was andere Unternehmen machen. Lücken, die es zu schließen gilt. Der beste Kit dafür ist guter Content, angepasst an die jeweilige Stufe im Sales Funnel und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse der Kunden. Damit das richtige Stück Content zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle landet, braucht es außerdem neue Prozesse, vielleicht sogar neue Strukturen.

Ursachenforschung – ein Erklärungsversuch

Eigentlich liegt es doch auf der Hand, bei dieser Frage an einem Strang zu ziehen und gemeinsam das eigene Unternehmen voranzubringen. Es gibt Inhalte, es gibt Tools, es gibt Wissen. Dem stehen Strukturen, historische Entwicklungen und fehlende Prozesse gegenüber. Und so wundert es nicht, dass Kommunikatoren aus zwei unterschiedlichen Unternehmen mehr Gemeinsamkeiten haben als Kommunikation und Vertrieb aus einem Unternehmen. Denn es ist noch nicht so lange her, dass sich Kommunikatoren erfolgreich freigeschwommen haben von einer werblichen, am Produkt klebenden Kommunikation, die kaum größere Zusammenhänge herstellen konnte. Themen zu setzen, das Image des Unternehmens im Blick zu haben und das erste, weithin sichtbare Zeichen zu setzen, wofür ein Unternehmen als Ganzes und nicht nur eine Produktsparte steht – das war lange Zeit schwierig. Die Kämpfe auf dem Weg zu diesem Ziel sind nicht vergessen, die Freude über das Erreichte ist zurecht groß und die Sorge, diese Autonomie wieder zu verlieren, nicht von der Hand zu weisen. Aber Image-Kommunikation und Sales-Kommunikation dürfen keine Gegensätze sein. Sie sind entscheidende Wegmarken auf der Customer Journey. Vom ersten, themengetriebenen Kontakt bis zum greifbaren. Dabei brauchen Kommunikatoren und Vertriebler ihr eigenes Profil, ihre eigenen Kanäle und eigene Formate. Die Inhalte jedoch sollten die komplette Reise begleiten, damit aus Interessenten dann auch Kunden werden.

Neben diesen inhaltlichen Aspekten ist da noch die Unternehmensstruktur. Die Reporting-Wege und die Verortung im Organigramm von Vertrieb und Kommunikation sind oft unterschiedlich. Das bedeutet: andere Prozesse, andere Verantwortlichkeiten, andere Budgets. Wer in der Zusammenarbeit neue Wege beschreiten möchte, riskiert, Regeln zu brechen und bestehende Kompetenzen zu überschreiten. Doch sind es nicht oft diese Regelbrüche, die Unternehmen weiterbringen? So formuliert es beispielsweise der Bielefelder Soziologe Stefan Kühl mit Blick auf Universitäten und geht noch einen Schritt weiter, indem er „Dienst nach Vorschrift als eine der effektivsten Sabotageformen in Organisationen“ bezeichnet. Warum? Weil dann die Einhaltung aller Regeln dazu führt, dass Prozesse nicht vorangetrieben und Entscheidungen nicht oder viel zu spät getroffen werden. Das lähmt die Organisation anstatt sie nach vorne zu bringen. Es braucht also Mut, diesen Schritt trotzdem zu gehen. Nicht als Rebellion, sondern als eine Verbindung unterschiedlicher Stärken für ein gemeinsames Ziel.

Content is the glue!

Das Dilemma aus externem Wandel, internen Strukturen und fehlenden Kommunikationswegen lässt sich dabei am besten über Inhalte lösen. Vertrieb, Marketing und Kommunikation müssen gemeinsam darauf schauen, welche Inhalte an welchen Touchpoints gebraucht werden. Nur so kann jeder seine Kompetenzen bestmöglich ausspielen. Eine friedliche Koexistenz darf hier kein Erfolgskriterium mehr sein. Bereichsübergreifende Strukturen, ein gemeinsames Verständnis und mit Bedacht ausgewählte Tools, um alles zu steuern und zu koordinieren, sollten die Richtschnur sein. Dann schließt sich die Lücke im Sales Funnel für Kunden und Unternehmen.


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