Buddy Müller

#folge5 #monmacàmoi

Die Lufthansa und ich, wir sind gute Freunde. Im Ernst.

Selbst als mich die Meilenumstellung den Honz-Status und den Schwips in der Lounge gekostet hatten.

Mein Name ist Müller. Buddy Müller. Ich bin Senior Project Supervisor in der weltweit führendsten Content-Marketing-Agentur Deutschlands. Und Vielflieger.

Nur heute wollte das Buchen nicht klappen. Klickklickklick. Weder Flug noch Sitzplatz noch Streckenpunkte ließen sich mit meinem Namen verknüpfen.

„Das wird so nichts“, schnurrte eine Stimme.

„Weiß ich“, knurrte ich. Klickte weiter.

Einige erfolglose Minuten später: „Glaub´s mir“, sagte die Stimme.

Schachtelsätze mit Bedauern

„F*** you very much“, entgegnete ich.

Ich spreche oft mit mir selbst.

Ungerührt bearbeitete ich die Maus. Schachtelsätze der Lufthansa drückten mir ihr Bedauern aus. Ich überlegte mir, ob ich ihr die Freundschaft kündigen sollte.

„Du kannst es einfacher haben“, sagte die Stimme.

Ich hielt inne. „Hallo?“

„Hallo“, grüßte die Stimme zurück.

„Hallohoo?“, sagte ich. Mir schwante nichts Gutes. Gestern hatte es keine Agenturfeier gegeben, der Kühlschrank war noch voll bis obenhin mit Alkoholika, und ich war nüchtern wie ein Ministrant vor der Messe.

Die Stimme sagte: „Mein Name ist Brad MacCloud vom Clan der MacCloud.“

„Mein Name ist Müller. Buddy Müller. Ich bin Senior Proj…“

„Ich weiß“, unterbrach mich die Stimme kühl.

Ich blickte mich um, starrte durch die Glaswände meines Aquariums. Draußen lächelte Qwertz zurück. Lila Stiefelchen, unsere hübsche Controlling-Praktikantin, saß auf seinem Schreibtisch. Sie interessierte sich für Qwertz´ Excel-Tabellen, er sich für sie.

Mein Blick eilte nach links, nach rechts. Niemand. Nur die Webcam meines neuen Laptops, ein MacBook Air, leuchtete mich an. Durchdringend und blau.

„Mein Name ist Brad MacCloud. Vom Clan der MacCloud“, wiederholte die Stimme.

Die Erkenntnis fraß sich wie die Nachricht eines verlorenen Pitchs in mein Hirn: Mein Mac sprach zu mir. Der Mac, den mir der EmmDee, unser Managing Director, als Anerkennung besonderer Akquiseverdienste verliehen hatte.

„Hallo“, grüßte mein Mac nochmal. „Wie geht´s?“

Wie es einem halt so geht, wenn der Computer zu einem spricht. Kannte ich einen guten Therapeuten?

„Bestens“, antwortete ich reflexartig.

„Kaffee, Chefff?“, fragte eine Stimme. Ich starrte in das blaue Auge meines Macs.

„Einen Espresso, bitte. Einen doppelten.“

Das Auge erlosch. Die Stimme kam nicht vom Mac.

Sie war hinter mir.

Im Herumwirbeln klappte ich den Rechner zu und versuchte, mein Ich-habe-gerade-mit-einem-wichtigen-Kunden-telefoniert-Gesicht aufzusetzen. Beim EmmDee wirkte es immer. Bei unserer hoffnungsvollen Controlling-Praktikantin war es nicht nötig.

Lila Stiefelchen stand im Türrahmen. Auch heute wippte sie auf 10 Zentimeter hohen Absätzen und ließ ihr iPhone in der Linken lässig rotieren. Hinter mir, aus dem Mac, kam Gebrabbel.

Nur ich hörte es.

„Alles ok?“, fragte Lila Stiefelchen. Erneut bot sie mir Kaffee an.

„Ich. Ja. Nein. Espresso. Heute bitte Espresso“, sagte ich. „Hatte gerade eine Idee. Eine Idee.“

„Jaja“, sagte sie, „Espresso kommt gleich.“ Sie grinste verschwörerisch, als hätte sie mich beim Betrachten von Siewissenschonwas erwischt. Drehte sich um auf einem halben Quadratzentimeter Absatz und war draußen.

„Eine Idee? Soso. Kommt selten genug vor“, brabbelte der Mac.

Ich klappte ihn auf.

„Sag jetzt nichts“, herrschte ich ihn an.

Der Mac schwieg. Ich hatte Brad zum Schweigen gebracht. Stille. In mir und um mich herum. Also, auf ein Neues, Flug gesucht.
Klickklickklick.
Nein, signalisierte die Lufthansa.
Klickklickklick. Klickklickklick.

Wo blieb eigentlich mein Espresso? Ich lehnte mich in meinem Recaro-Sitz zurück. Genoss die Stille.

Klickklickklick. Ein erneutes „Nein“ von der Lufthansa.

„Ich kann Dir helfen“, sagte mein Mac. „Wirklich.“

Kannte ich nicht doch einen Therapeuten?

„Dich gibt es nicht“, behauptete ich. „Kein Computer spricht. Keiner. Du auch nicht.“

„Nenn mich Brad“, sagte mein Mac.

„Brrrrr …??“

„Brad MacCloud vom Clan der MacCloud. Erinnerst Du Dich an V.?“

„Oh, ja. Armer Kerl.“

„Hast Du ihn mal besucht?“

Ich zögerte. Ich hatte es mir gefühlte hundertmal vorgenommen. Aber ich hatte nie den Weg in die Geschlossene gefunden.
Mein Mac fragte: „Hast Du jemanden, der Dich besuchen würde?“

Die Frage brannte wie flüssiges Quecksilber meine Gehörgänge entlang.
„Solltest du haben“, sagte Brad, mein Mac. „V. war Dein Vorgänger. Er war beratungsresistent.“

Business Class oder nie

„Und jetzt zum Geschäft“, sagte Brad mit zunehmend leiser Stimme. „Die Kleine ist süß.“

Ich, Buddy Müller, Senior Project Supervisor der weltweit führendsten Content Marketing Agentur Deutschlands, saß vor einem sprechenden, testosterongesteuerten MacBook Air.

„Lass die Finger von ihr“, zischte ich. „Die Praktikantin ist …“

„Ich meine ihr Handy“, unterbrach mich Brad. „Es ist doch ganz einfach: Du willst fliegen. Business Class. Limousine. Schampus. Das volle Programm.“

Ich starrte lange in sein blaues Auge. Hielt dem Glimmen stand. Und ich verstand.

Hinter mir schwang die Glastür auf. Lila Stiefelchen hielt mir eine Värdera-Tasse hin, voll mit heißem Filtrat aus unserer Siebträgermaschine im Wert eines Kleinwagens. Ich sparte mir ein Dankeschön. Zu sehr verwöhnen tut nicht gut. „Wenn Sie schon mal da sind, Stiefelchen, ich habe ein Problem mit meinem Mac …“

Ich hörte ein drohendes Räuspern vom Schreibtisch – die Praktikantin blickte mich mitleidig, aber interessiert an. Business Class oder nie, dachte ich. „Kann ich kurz Ihr Handy anstöpseln? Muss den Port testen. Neuer Mac, kommt aber nur heiße Luft raus …“

„Logisch, Chefff“, antwortete die Praktikantin ohne zu Zögern. „Anstöpseln. Schon klar.“

„So macht man das“, hörte ich Brad sagen.

Flirt mit Röntgen

Drei Tage später. Security-Check. Ein Lufthansa-Mitarbeiter in blauer Livrée und weißen Handschuhen winkte mich an säuerlich dreinblickenden HONZens vorbei.

Der Livrierte half mir, mein Gepäck aufs Fließband zu legen. Brads matt gebürstetes Gehäuse wischte er vorsichtig ab.

„Mein Name ist Brad MacCloud“, hörte ich ihn sagen, während er ins Röntgengerät einfuhr, „vom Clan der MacCloud.“ Er flirtete mit dem Röntgengerät, wollte wissen, wann es Dienstschluss habe und ob es mal in etwas anderes blicken wolle als in Aktentaschen … Viermal ging es rein und raus.

„Nun ist aber gut“, stoppte ich Brad und erntete einen wütenden Blick des Sicherheitsmannes. Er mache ja auch nur seinen Job.
Brad murmelte auf dem Weg zur Limousine, die auf dem nassen Rollfeld auf mich wartete, hörbar zufrieden in meiner Tasche: „Buddy, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“

Das befürchtete ich auch.

Kreative auf Kriegsfuß mit dem Mac? Ihre Erfahrungsberichte senden Sie direkt an Buddy Müller unter buddy.mueller@profilwerkstatt.de

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