„Wir digitalisieren unsere Kommunikation. Das ist viel nachhaltiger als weiter auf Papier zu drucken.“ Wer kennt dieses Argument nicht? Stimmt das wirklich? Wir machen einen Faktencheck.
Wenn es um Markenkommunikation geht, sind Onlinemagazine, Blogs und unterschiedliche Social-Media-Aktivitäten spätestens seit der Corona-Pandemie die erste Wahl. Das Gros der Unternehmen bezweckt mit der Abkehr vom Print häufig eine nachhaltigere, effizientere und zielgerichtetere Kommunikation. In diesem Zusammenhang werden Druckerzeugnisse wie Magazine und Broschüren oft als weniger nachhaltig empfunden. Auf den ersten Blick verschlechtern der hohe Papierverbrauch, die Druckfarben und der Transport die Umwelt- und Klimabilanz.
Printkommunikation kann viel nachhaltiger sein, als man denkt.
Die Druckindustrie fühlt sich jedoch zu Unrecht an den Pranger gestellt. Mit Impulsen wie der Klimainitiative der Druck- und Medienverbände und der Brancheninitiative Media Mundo versucht sie sachlich aufzuklären. So haben zum Beispiel etliche Druckereien in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, und auf eine umwelt- und klimafreundlichere Produktion umgestellt. Die deutsche Papierbranche ist mittlerweile fest in die Kreislaufwirtschaft integriert. Das zeigt sich etwa bei der hohen Recyclingquote des in Deutschland verwendeten grafischen Papiers.
Weitere Nachhaltigkeitsinitiativen der Druckindustrie:
Die Faustformel lautet, dass ein Kilogramm bedrucktes Papier eine Kohlenstoffmenge von einem Kilogramm freisetzt. Während Druckerzeugnisse im Durchschnitt 72 Kilogramm CO2 pro Kopf und Jahr freisetzen, schätzt das Öko-Institut in Freiburg, dass unser digitales Leben Jahr für Jahr pro Kopf 849 Kilogramm Klimagase erzeugt.
Nicht zuletzt weisen viele Druckprodukte eine nachweisbar gute Klimabilanz auf: Druckereien, wie die Umweltdruckerei Lokay im südhessischen Reinheim, haben ein eigenes Umweltmanagementsystem eingeführt und haben durch eine eigene Energieerzeugung ihren CO₂-Fußabdruck reduziert. Und Lokay ist keineswegs die einzige Druckerei, die sehr energie- und ressourceneffizient produziert. Im Ergebnis hat sich der CO₂-Anteil aller Druckerzeugnisse, die die Bundesbürgerinnen und ‑bürger pro Jahr im Durchschnitt konsumieren auf weniger als ein Prozent ihres CO₂-Gesamtfußabdrucks vermindert.
Die Faustformel lautet, dass ein Kilogramm bedrucktes Papier eine Kohlenstoffmenge von einem Kilogramm freisetzt. Während Druckerzeugnisse im Durchschnitt 72 Kilogramm CO2 pro Kopf und Jahr freisetzen, schätzt das Öko-Institut in Freiburg, dass unser digitales Leben Jahr für Jahr pro Kopf 849 Kilogramm Klimagase erzeugt.
Bei Druckprodukten können darüber hinaus besonders klimabewusste Herausgeber die unvermeidbaren Kohlenstoffemissionen durch den Erwerb entsprechender CO₂-Zertifikate kompensieren. Was in der Druck- und Papierindustrie längst Standard ist, ist in der Online-Kommunikation bisher alles andere als selbstverständlich.
Digitale Kommunikation ist nicht so umweltfreundlich, wie man oft annimmt
Man ahnt es bereits, die digitale Kommunikation ist nicht per se die umweltfreundlichere Alternative zu Print. Weil immer mehr digital kommuniziert wird, wächst auch der Bedarf an digitalen Infrastrukturen und Rechenzentren, die tagtäglich milliardenfach mit Google-Suchen, E‑Mails, Werbebannern und immer neuen TikTok-Videos beschäftigt sind. Die Rechenzentren haben einen enormen Energiebedarf, um die Rechenleistungen für Datenspeicherung, Backup, Netzwerke, E‑Mail-Dienste und Website-Hostings zu bewältigen und auch für die Kühlung der Prozessoren. Wenn hierfür ausschließlich Ökostrom verwendet wird und die Abwärme sogar in das Fernwärmenetz eingespeist wird, wäre diese Entwicklung weniger bedenklich. Immerhin werden Rechenzentren in Deutschland seit November 2023 genau dazu über das Energieeffizienzgesetz verpflichtet.
Doch die Server und Rechenzentren stehen auch in Staaten, die in großem Maße noch fossile Energien nutzen. Daher sind die digitalen Klimagasemissionen immer noch enorm. Jean-Paul Laue, der sich als „Climate Neutral Content Creator“ mit seiner Initiative Klima&so für ein klimaneutrales Social Media einsetzt, hat errechnet, dass allein ein 20 Sekunden langes TikTok-Video mit elf Millionen Aufrufen einen digitalen CO2-Fußabdruck von 39 Tonnen Kohlenstoff hinterlässt. Das entspricht seiner Berechnung nach ungefähr der pro-Kopf-Klimabilanz von 45 Flügen von Frankfurt nach New York. Um beim Vergleich zu bleiben, dürfte die gesamte globale Internetnutzung mindestens einen ähnlich hohen Beitrag zu den CO₂-Emissionen leisten, wie der internationale Flugverkehr. Das zumindest hat ein Team britischer Wissenschaftler der Universität Lancaster in einer Studie ermittelt. Und mit dem Siegeszug der Künstlichen Intelligenz dürfte das Klima weiter belastet werden.
Onlinemagazine haben eine komplexe Klimabilanz
Doch wie steht um die Klimabilanz eines digitalen Onlinemagazins im Vergleich zu einem Printmagazin? Ist der digitale CO2-Fußabdruck wirklich besser? Die Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Denn bei Onlinemagazinen hängt die Kohlenstoffbilanz von sehr viel mehr unterschiedlichen Faktoren ab als beim Print. Das beginnt unter anderem bereits beim Betrieb der Infrastruktur, dem Hosting des Onlinemagazins und dem Datentransfer zwischen Server und Endgeräten. Wie viel CO2 dabei freigesetzt wird lässt sich nicht pauschal bestimmen, da dieser Wert abhängig ist von den Nutzungszahlen, den Endgeräten, den Datenmengen und der Entfernung zwischen Server und Endgeräten. Eine Website mit vielen Bildern und Animationen hat zum Beispiel einen ganz anderen Energiebedarf als eine Seite, die vor allem aus Text besteht.
Wie klimafreundlich ist
Ihr Onlinemagazin?
Inzwischen gibt es Anbieter, mit denen man individuell den Energiebedarf der eigenen Website oder auch eines einzelnen Onlinemagazins berechnen kann. Dafür bietet beispielsweise websitecarbon.com einen Website Carbon Rechner an, der für eine bestimmte URL die übertragene Datenmenge prüft und anhand verschiedener Faktoren und den Energieverbrauch jedes einzelnen Websiteaufrufs schätzt. Im Ergebnis bekommt man ein kostenloses Carbon-Rating sowie in anschaulichen Analogien übersetzte Angaben wie klimafreundlich oder nicht die geprüfte Site ist.
Stellschrauben zu mehr Klimafreundlichkeit
Wie beim Print gibt es natürlich auch bei Onlinemagazinen unterschiedliche Stellschrauben, um noch klimafreundlicher zu werden. Dazu zählt zunächst ein möglichst energieeffizientes Webdesign. Dabei ist eine möglichst hohe Reduzierung der Datenmengen das A und O. Nach dem Motto „weniger ist mehr“ sollten unnötig große Bilder, Videos und Animationen vermieden werden. Auch das so genannte „Lazy Loading“ hilft Energie zu sparen. Dabei werden optimierte Bilder, Videos oder iFrames – erst geladen, wenn sie tatsächlich im sichtbaren Bereich erscheinen. Möglichst statische Seiten sind von Vorteil, denn dynamische Inhalte benötigen oft mehr Serverkapazitäten.
Auch eine optimierte Nutzerführung, die für ein hochwertiges Onlinemagazin ohnehin selbstverständlich sein sollte, kann ebenfalls helfen, Energie zu sparen. Denn mit einer klaren Navigation und optimierten Suchfunktionen, werden Inhalte schneller gefunden, was die Verweildauer und unnötige Ladeprozesse reduziert. Bereits in der Programmierung können unnötige Ladezeiten und Rechenleistungen durch schlankere Codes (HTML‑, CSS- und JavaScript) vermindert werden. Ebenfalls sollte auf unnötiges Tracking und Werbung verzichtet werden. Denn weniger Cookies, und weniger Scripts bedeuten auch weniger Rechenaufwand. Ein großer Posten zu CO2-Einsparung von Onlinemagazinen ist natürlich auch die Abnahme von Ökostrom vom erstellenden Unternehmen selbst, aber auch ein grünes Webhosting von Providern, die erneuerbare Energien und effizientere Serverstrukturen nutzen. Wie beim Druck, gibt es natürlich auch bei Onlinemagazinen die Möglichkeit, unvermeidbare Emissionen durch Unterstützung von Klimaschutzprojekten zu kompensieren.
Nachhaltige Kommunikation erfordert ganzheitliches Denken
Der Vergleich zwischen Print- und digitaler Kommunikation zeigt, dass keine der beiden Varianten per se klimafreundlicher ist. Druckprodukte können durch Recyclingquoten und nachhaltige Produktionsweisen punkten. Die tatsächliche Öko-Bilanz hängt oft auch von Dauer und Häufigkeit der Nutzung ab. Je öfter ein Printprodukt genutzt wird, desto klimafreundlicher wird es. Bei digitalen Medien hängt die Klimabilanz stark von den verwendeten Endgeräten, dem Hosting und den Datenmengen ab. „Unternehmen, die klimafreundlich kommunizieren wollen, sollten daher bewusst sowohl Print als auch digitale Kanäle nachhaltig optimieren – durch energieeffizientes Webdesign, grünes Hosting und ressourcenschonende Druckprozesse“, rät Matthias Weber, Senior Production Manager bei der Profilwerkstatt. Denn nur eine bewusste und datenbasierte Herangehensweise kann langfristig zu einer wirklich klimafreundlichen Kommunikation führen.
Felix Schütze
Senior Editor, Vinyl- und Nachhaltigkeitsfan. Felix liebt Substanz und gute Geschichten – in Long und Short Copy.