Buddy Müller #folge9 #chefgezwitscher

Alle Agenturen haben einen War Room. Auch wir, die weltweit führendste Content-Marketing-Agentur Deutschlands. Einen War Room, in den wir uns zurückziehen, damit sich unsere unfassbare Kreativität für den jeweiligen Pitch ungestört entfalten kann.

Qwertz, mein Lieblings-Teamlead, und ich saßen in der 25-Quadratmeter-Denkerzelle.

„Zeeehhhdreiiii“, sagte ich genüsslich über mein Notebook hinweg.

„Zeeehhhdreiiii?“, wiederholte Qwertz, als könne er das Unausweichliche verhindern. Dann fügte er sich seinem Schicksal. „Versenkt“, knirschte er.

Im War Room führten Qwertz und ich unseren eigenen Krieg. Schiffe versenken, digital natürlich. Ein kreativer Kopf braucht auch mal eine Pause. Oder zwei oder drei. Oder mehr.

Brad MacCloud vom Clan der MacCloud meldete sich zu Wort. „Das ist entwürdigend, Buddy“, maulte mich mein MacBook Air an. „Meine Rechenkapazität reicht aus, um den Kurs der gesamten Nordatlantik-Flotte für sechs Monate im Voraus zu berechnen. Aber um die Schiffe deines Kollegen zu torpedieren …“

„So macht’s mehr Spaß“, grinste ich meinen sprechenden Rechenknecht an, einmal mehr froh, dass a) nur ich ihn hören konnte und b) wir eine Zweckfreundschaft eingegangen waren. Hilfe ist immer ein Geben und Nehmen, auch zwischen Mensch und Technik. Als Senior Project Supervisor bin ich schließlich auch Mensch.

Qwertz behauptet zwar anderes, aber der zählt nicht.

Neue Wege für den EmmDee

Die Tür zu unserem War Room schwang auf, und der EmmDee stürmte herein. „Männer! Wir beschreiten neue Wege in der Kommunikation! Also ich!“, begann er und schob zehn Minuten Argumentation aus einem Social-Media-Lehrbuch nach. Dann fiel der Schlüsselsatz: „Ich brauche einen Twitter-Kanal.“

„Warum?“, fragte ich.

„Was der amerikanische Präsident kann, kann ich schon lange“, antwortete der EmmDee. Sein rechter Zeigefinger spießte mich auf.

„Drohen?“, fragte ich.

„Nein, twittern!“

„Dump Trump!“, forderte Brad MacCloud nur für mich hörbar.

„Schnauze, Brad“, zischte ich halblaut.

„Bitte? Müller?“ Der EmmDee blickte mich durchdringend an. „Sie sprechen in letzter Zeit häufig mit Ihrem Mac…“

„Nein, nie.“

„Doch, doch“, schaltete sich Qwertz ein. „Eigentlich immer.“

„Schnauze, Qwertz“, sagte ich.

Der EmmDee blickte von Qwertz zu mir und zurück. „Eigentlich ist mir egal, was ihr raucht. Ich will nur Twittern“, sagte er. „Macht es zu Eurem Projekt!“

„Jippie-jaja-jippie-jippie-yeah“, antworteten Qwertz und ich.

Qwertz arbeitet. Ich präsentiere.

„Wir könnten ihm doch einfach unseren Agentur-Twitter-Account öffnen“, sagte Qwertz nach einer langen Denkpause.

„Sie müssen noch viel lernen, Qwertz.“ Im Einstellungsbogen hatte er sicher „nicht mitdenken“ angekreuzt.
Das würde ein Musterprojekt: Zielgruppe, Personae, Inhalte, Kanalwahl (entfiel), Distribution. Ein Projekt für Qwertz und mich. Er das operative, ich das strategische. Genauer: Er arbeitete, ich präsentierte. Wie immer also.

Zwei Wochen später hatten wir den EmmDee mit Twitter vertraut gemacht. Er hielt das blaue Logo nicht mehr für Vogelfutterwerbung; er unterschied Tweet, Retweet und Reply und war ganz heiß darauf, seine Likes und Follower zu zählen. Likes für meinen Chef?, dachte ich. Die Erde ist eine Scheibe.
Wir überließen den EmmDee seinen Hoffnungen.

Drei sind eine gute Quote

Dann, als ich das Chef-Projekt schon längst verdrängt und dem stillen Vergessen in einem der Directorys zwischen den Servern „Gandalf“ und „Gollum“ überlassen hatte, baute sich Dr. No vor meinem Schreibtisch auf. Noch bevor ich Ihr ein ernst gemeintes Kompliment machen konnte, wie stilvoll es ist, wenn eine Chefassistentin sich passend zur Gesichtsfarbe kleidete – im zeitlosen Aschgrau – deutete sie mit einem Kopfruck Richtung Bossbüro: „Alle beide. Sie und Qwertz. Sofort.“

Selten hatte ich den EmmDee so larmoyant erlebt (Ausnahme: unser Londoner Vorstand forderte Quartalszahlen). Keine Retweets, beklagte er, nach über einem Monat, keine Replys, wobei er sich doch so bemühe und folge, wem er nur folgen könne, mit einem tragischen Ergebnis: nur drei Follower.

Qwertz, zählte ich still. Und ich. Aber wer war der Dritte?

„Drei?“, fragte Qwertz, „das ist doch eine gute Quote. Für `nen Chef.“

Warum muss er auf die Lunte blasen, wenn sie eh schon brennt?, dachte ich.

Der EmmDee explodierte und schleuderte verbale Schrapnelle seiner Enttäuschung heraus. Da half nur der schnelle Rückzug ins eigene, unverminte Terrain. „Das ist ein operativer Fehler“, sagte ich, deutete auf Qwertz, „ich bin nur für die Strategie zuständig“, und schon war ich zum Büro hinaus, bevor mich weitere Splitter treffen konnten.

Geben und Nehmen

„Brad, ich habe einen Job für Dich“, sagte ich und ließ mich in meinen Recaro-Drehstuhl fallen. „Ich brauche Deine Unterstützung …“

„Bitte buchstabiert man mit zwei ‚t’“, konterte mein MacBook Air. „Das Leben ist ein Geben und ein Nehmen, das Arbeitsleben insbesondere, auch wenn Du Dich schwer tust, das zu verstehen, gerade zwischen Mensch und Technik …“

Musste der elektronische Casanova immer um das Objekt seiner Begierde herumschleichen wie ein rolliger Stubentiger? „Welche elektronische Gespielin ist es diesmal? Mir geht’s nur um den Twitter-Account vom Chef.“

„Buddy, wofür hältst Du mich?“, entrüstete sich Brad. Sein blaues Kameraauge glühte. „Das mit den zwei Rechnerinnen aus dem Merchandising, das könnte was Festes werden.“
Brad MacCloud vom Clan der MacClouds modulierte seine Stimme zu einem Eishauch: „Darum geht es mir gar nicht …“

„Also?“, fragte ich. Ich fühlte mich am Eingang zu Dantes Hölle.

„Es geht um Dich, Buddy“, sagte Brad. „Und wie Du Deinen Kollegen behandelst… “

Verdammt. Brad, der Rächer.

Durchbruch mit einem Unbekannten

„Zeeeehhhhviiiier“, sagte Qwertz über den Rand seines Notebooks hinweg.

„Zeeeehhhhviiiier“, äffte ich ihn nach und verfluchte Brad MacCloud im Stillen. „Versenkt. Das war das letzte Schiff. Game Over.“

Während Qwertz seinem Triumph über mich unverhohlen Ausdruck verlieh und eine Mischung aus Dirty Dancing und Pulp Fiction tanzte – für jeden außerhalb des War Rooms durch die Glasscheiben sichtbar – fragte ich mich, ob der Preis für das bisschen Twitter-Pushen nicht doch zu hoch gewesen war.

Du könntest gegen Qwertz ja auch mal ohne meine Hilfe antreten, hatte Brad vorgeschlagen. Und im Gegenzug kümmere ich mich ein bisschen um den Account des EmmDee…

Die Tür sprang auf. „Toller Tanz“, kommentierte der EmmDee Qwertz´ Auftritt, „können wir die Performance beim nächsten Pitch haben?“

Qwertz strahlte ihn an.

„Schnauze, Qwertz“, sagte ich, bevor er antworten konnte.

„Männer“, hob der EmmDee erneut an. Er sei bei Twitter kurz vor dem Durchbruch; knapp 1.000 Branchengrößen folgten ihm nach nur einer weiteren Woche; bei Twitter einzusteigen sei seine beste Idee überhaupt gewesen. Er sei auf einen Influencer gestoßen, und dann seien seine Tweets abgegangen wie Schmitz’ Katze.

„Schaut Euch den mal an!“, sagte der EmmDee. „Der hat Ahnung von unserem Job. Heißt Brad MacCloud. Soll sogar in unserer Agentur arbeiten …“

„So macht man das“, hörte ich Brad sagen.

Dann klappte ich ihn zu. Versenkt!

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